Ich möchte Magdeburg nicht instrumentalisieren, aber das, was gerade passiert, ist so unglaublich typisch, dass ich nicht ganz drumherum komme.
Gestern: erste Meldungen: ein Auto ist in die Menschenmenge auf einem Weihnachtsmarkt gerast. Noch weiß niemand irgendwas, aber in den Kommentarspalten unter den Nachrichtenseiten feiern die Rassisten:
„Wieder so ein Einzelfall“, heißt es.
„Das Beste Deutschland aller Zeiten“, heißt es.
„Danke Merkel“, heißt es.
„AfD jetzt“, heißt es.
Dann kommt heraus, dass der Attentäter aus Saudi-Arabien stammt.
„Alle raus“, heißt es.
„Die Altparteien sollten wegen Mittäterschaft haften“, heißt es.
Und inzwischen wissen wir, dass der Täter AfD-Anhänger war, Alice Weidel verehrt und sich in zahlreichen Äußerungen als Muslimfeind zu erkennen gegeben hat. Und wie äußern sich die AfD-Anhänger jetzt? Entschuldigen sie sich? Sagen sie so etwas wie „Ups“? Ganz im Gegenteil. Sie behaupten allen Ernstes, „die Medien“ und „die Regierung“ hätten all das erfunden. Der Attentäter sei gar kein Feind der Muslime. Der Attentäter sei nicht AfD-Anhänger. Der Attentäter hätte sich nie so geäußert. Das alles sei nur eine Verschwörung gegen die AfD, weil ja bald Wahlen seien.
Echt jetzt?
Nazis tun Nazi-Dinge. Das sollte niemanden überraschen. Gewalt ist ein elementarer Bestandteil dieser Nazi-Dinge; das war schon immer so. Erschreckend ist, wie Anhänger der AfD sich die Realität zurechtschummeln, damit sie irgendwie in ihr Weltbild passt.
Warum mich das so erschreckt? Nein, nicht wegen der Propagandisten, die ungeachtet aller Fakten an ihrer Meinung festhalten. Auch nicht, weil sich hierdurch zeigt, dass AfD-Anhänger einfach nicht mehr zu erreichen und somit für die Demokratie verloren sind.
Erschreckend ist, dass AfDler sich alles so zurechtlegen werden, dass sie sich für die Guten halten. Das schließt Gewalt ein. Wenn Nazis Ausländer auf den Straßen jagen, werden sie es sich so zurechtlegen, dass sie keine andere Wahl hätten, dass es für Deutschland sei, dass eigentlich die Gejagten die Schuldigen und die Bösen wären.
Und genau das ist die Denke des Attentäters. Ich maße mir nicht an, die Motive so eines kranken Hirns vollständig zu verstehen. Aber aus seiner Sicht war er der Gute, sonst hätte er nicht getan, was er getan hat. Wollte er sich opfern, indem er Deutsche gegen Ausländer wie sich aufbringt? Wollte er mit seinem Anschlag demonstrieren, dass auch Islamisten weiterhin Anschläge verüben können? Wollte er Angst in der Bevölkerung schüren, weil das der AfD weiteren Zulauf bringen würde? Hat er nicht damit gerechnet, dass man ihn aufgrund seiner Äußerungen als AfDler identifiziert, und glaubte, man würde den Muslimen die Schuld geben (was ja auch viele tun)? Oder alles zusammen?
Egal, was genau die Motivation war, Grundlage war die gleiche Verdrehung von Realität, wie sich derzeit in den Äußerungen von AfD-Anhängern in den Kommentarspalten zeigt. Und das (!) erschreckt mich, denn diese Leute könnten ohne zu zögern jedes Verbrechen begehen und sich dabei trotzdem für „die Guten“ halten.