Monat: Januar 2009

Die Geschwister Oppermann

thumb_oppermannDer alltägliche Faschismus

Lion Feuchtwanger, 1884 bis 1957, gehört zu den deutschen Schriftstellern, die zwar im Gedächtnis literarischer Kreise unvergessen sind, aber nicht zum bekannten zeitgegenwärtigen Kanon der deutschen Literatur gehören. Im Gegensatz zu Thomas Mann, beispielsweise, ist es nicht gelungen, Feuchtwanger dem Fundament auch der gegenwärtigen Literatur zuzustellen. Das ist bedauerlich. Denn fraglos ist Lion Feuchtwanger eines der Gestirne, um die sich eine aufklärerische Literatur zu drehen hätte.
Feuchtwanger, der Meister der Charakterisierung, leidet möglicherweise allerdings auch daran, dass seine Art zu schreiben nicht jene Kompliziertheit aufweist, die nötig wäre, das versammelte Bildungsbürgertum dazu zu veranlassen, sich ihn auf den Schild zu heben. Möglicherweise aber ist auch die geringe Zahl von Theaterstücken – zwei hat er geschrieben – verantwortlich dafür.
Lediglich „Jud Süß“ wird, bedauerlicherweise jedoch aufgrund einer Verwechselung, als allgemein bekannt bezeichnet werden können. Feuchtwangers „Jud Süß“ hat selbstverständlich nichts mit dem Veit-Harlan-Film gemeinsam, also mit jenem unsäglichen faschistischen Machwerk; weder den Inhalt, noch die Richtung.

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Keine Zukunft war gestern

 thumb_keine_zukunft_war_gesternPiPaPunk

Das Kollektiv IG Dreck auf Papier hat in dem vorliegenden Buch den Versuch unternommen, die Geschichte(n) des Punks in Deutschland nachzuzeichnen. Anhand der Aussagen von (ehemaligen) Fanzinemachern, Musikern und anderen Aktivisten aus der Szene wird im ersten Teil chronologisch die Entwicklung nachgezeichnet, wobei u.a. Fabsi („Weser-Label“), Willi Wucher („Pöbel & Gesocks“) und Klaus N. Frick („Peter Punk“) zu Wort kommen. Dieser Abschnitt bietet einen sehr interessanten Einblick in die Entwicklung der Szene – und ist auch das Beste, was das Buch zu bieten hat.


Im Anschluß daran finden sich einzelne Essays und ein paar belanglose Interviews mit ehemaligen (und zum Teil noch aktiven) AktivistInnen.

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Weltquell des gelebten Wahnsinns

thumb_henryglassbuchBesoffene Esel und die Gasdynamik des Darms

Ich lernte Henry Glass, den genialen, skurilen Journalisten und ausgesprochen netten Menschen in unserer gemeinsamen Stammtränke in Hamburg kennen, der "Zwiebel". Während ich mich vorzugsweise an Guinness hielt (in der Zwiebel servierte man es mit unvergleichllich cremigem Schaum), entwickelte Henry ein Getränk, welches nicht nur ich als Henrystutzen bezeichnete: Einen doppelten Whiskey im Wasserglas, aufgefüllt mit H2O. Henry Glass trug gerne Anzüge, die von einer ganz eigenen modischen Anschauung zeugten, eine Brille mit runden Gläsern und im Sommer ordentliche (!) Bermudashorts nebst Hemd und Kravatte. Er war ein englischer Gentleman.Und er war als Gesprächspartner ein nie versiegender Quell von ironischer Nachdenklichkeit. Henry Glass starb im Jahre 2000.

Damit die Freunde und die Fans seiner Artikel ihn weiter im
Lebendigen halten können, hat der Verlag "Kein und Aber" dankenswerter
Weise ein Buch mit wunderbaren Wissenschaftsartikeln herausgebracht,
die es auch – gelesen vom unvergleichlichen Harry Rowohlt – als Hörbuch
gibt. Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um trockenes Zeug,
sondern um sprachliche und inhaltliche Pretiosen über den Alkoholkonsum
von Eseln oder Dublin, die Hauptstadt der Ir(r)en. 

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Proudhon wird 200 (aber nicht alt!)

thumb_proudhonDer Vater der Anarchie

Pünktlich, kurz vor dem 200. Geburtstag des französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865), ist beim Lit-Verlag die deutsche Übersetzung seines letzten Werkes – „Von der Befähigung arbeitender Menschen zur Politik“ – erschienen.

Er hat es 1864 – knapp 25 Jahre nach dem Erscheinen seiner berühmten Abhandlung „Was ist das Eigentum?“ – verfaßt und in ihm seine über die Jahre gereiften Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaftsordnung dargelegt. Zu diesem Zeitpunkt kann er bereits auf eine Anzahl von Schriften (und deren Übersetzungen in andere Sprachen) sowie praktische Erfahrungen und Experiemente alternativer Ökonomie wie dem Konzept Tauschbank zurückblicken.

Im Zentrum der vorliegenden Schrift steht bei dem „Vater der Anarchie“,
wie er wegen seiner positiven Umdeutung des Begriffes „Anarchie“ im
Zuge seiner Schrift „Was ist das Eigentum?“ genannt wird, wiederum das
Prinzip des „Mutualismus“, das eng verknüpft ist mit dem ebenfalls von
ihm stark gemachten Begriff der Autonomie und der Dezentralisierung. 
Übersetzt und herausgegeben wurde dieser Band von Lutz Roemheld, der in
der gleichen Reihe bereits vor vier Jahren den Sammelband „Erinnerung
an P.-J. Proudhon“ (ISBN: 978-3825882926) herausgegeben hat. 

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Das weibliche Genie Hannah Arendt

thumb_dasweiblichegenieDie spannende Denkerin

Die jüdische Philosophin und Sozialwissenschaftlerin Hanna Arendt gehört zweifellos zu den spannendsten und auch für die Reflexion der Moderne wichtigsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts.

Sich einer Denkerin wie ihr zu nähern, ohne in unkritische Lobhudelei oder in die klassische Kritik ihres z.T. „unwissenschaftlichen“ Prozesses der Erkenntnisgewinnung zu verfallen fällt schwer. Ihr Denken und Werk bot – und bietet immer noch – viele Aspekte, die Anknüpfungspunkte für Kritik bieten; sei es ihre Formulierung der „Banalität des Bösen“ in bezug auf Eichmann, ihre Analysen über totalitäre Herrschaft oder ihr elitäres, politisches Konzept, welches sich an der griechischen Polis orientiert.

Der in Paris lebenden Psychoanalytikerin Julia Kristeva gelingt es, ein
sehr sachliches Porträt jener Denkerin zu zeichnen, in dem sowohl ihre
philosophischen Leistungen als auch ihre Schattenseiten ihren Platz
finden. Dabei präsentiert sie aber auch einen etwas anders gewichteten
Fokus auf die Philosophie Arendts. 

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Fatal ist mir das Lumpenpack,
das, um die Herzen zu rühren,
den Patriotismus trägt zur Schau,
mit allen seinen Geschwüren.

Heinrich Heine
Wintermärchen, 1844

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