Die Nacht ist dunkler nun
und schwerer fällt der Regen,
die Wolken tragen Trauer,
die Sternenaugen sind geschlossen,
der Mond versteckt sich gramvoll,
und Wörter weine
n — auf ewig ungeschriebene.

Der Schnitter schneidet der Literatur ins Fleisch. Und zum ersten Mal in der Zeit, die ich nun durch das Sein geschritten bin, habe ich die Angst, dass die Wunden, die die Sense schlägt gar nicht zugehen wollen.

Foto: Erinc Salor

Umberto Eco. Foto: Erinc Salor

Foto: Erinc Salor[/caption]

Als der große Charles Bukowski starb, da war es, als stünden ums Grab die Gleichstarken noch in großer Zahl. Als Jens starb und Lenz starb, da war es mir, als wären die Reihen, nicht nur in Deutschland, nein, global, gelichtet. Und nun, nach dem Tod des großen, wortgewaltigen Dichtes, des Philosophen Umberto Eco sind die Reihen derer, die von ähnlicher Statue sind ganz ausgedünnt. Es ist ein Graus. Schon beim Tod von Roger Willensem schrieb ich, dass wir ein Bildungsproblem hätten, auch ein literarisches Bildungsproblem.

Es gab in der langen Geschichte der Literatur immer jene, die ohne die zur jeweiligen Zeit klassische Bildung starke Bäume im Wald der Literatur wurden. Aber natürlich waren auch sie gebildet. Sie waren Bildnisse ihrer Selbstbehaltung, sie waren sie selbst. Sie waren nicht das Resultat gleichförmiger Literaturbildung an aliterarisierenden Instituten. Sie waren groß, weil sie von starkem Wuchs waren, einem Wuchs, der nicht beschnitten war durch eine marktkonforme Nivellierung ihres Stils. Ich habe das Bild vermutlich schon zu oft bemüht, aber es ist so anschaulich, wie kein anderes. Wer in Spanien schon einmal die Skulpturen gesehen hat, die Reliefs, die suebische oder gotische Künstler in Anlehnung an die römischen geschaffen haben, sieht den Verfall der Kunst augenscheinlich vor sich. Eine Situation in die wir, zum Glück, noch nicht völlig geraten sind. Aber wir müssen uns hüten, nicht dort zu landen, wo die damals bekannte Welt zur Zeit der Spätantike gelandet war.

Unser Problem ist ein weltweites. Es betrifft die USA und China, Europa und die indischen Subkontinent, Australien und Afrika. Und natürlich hat deses Problem auch mit der technologischen Entwicklung und der Kapitalkonzentration zu tun. Wir benötigen international neue Vergütungsregelungen, die es möglich machen, dass ein Künstler von seiner Kunst leben kann, auch wenn die Rezeptionswege sich ändern. Wir brauchen Transferzahlungen für Künstler und Lektoren, für Verlage vermutlich auch, wie immer die dann zukünftig beschaffen sein mögen. Aber sie werden von der Produktion nicht mehr leben können, wenn die Produktion durch die Technologie zu einem Gut wird, das sich selbst verbreitet und von jedermann verbreitet werden kann.

Wenn wir wollen, dass Menschen wie Umberto Eco sich in ihrer Arbeit, die ja ihr Leben ist, auf den schöpferischen Akt konzentrieren können, wenn wir also wollen, dass große Kunst nicht nur geschaffen wird durch Zufall, sondern auch die Umgebung dazu erhalten wollen, werden wir einen Ersatz finden müssen für die aufgrund der Verwertungssituation sinkenden Einnahmen. Umberto Ecos Werk bleibt uns. Das „Foucaultsches Pendel“, der „Friedhof in Prag“, der „Name der Rose“. Unsere Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass der Garten, wo die unvergänglichen Gewächse stehen immer wieder auf’s Neue bereichert wird.