Kein Grund für Angst
Die Debatte um das Urheberrecht, die fast gleichzeitig von der Piratenpartei und von Schriftstellern eröffnet worden ist, kann so nicht geführt werden, wie sie geführt wird. Zum einen ist es natürlich richtig, wenn ins Feld geführt wird, dass die meisten Schriftsteller, die den Aufruf unterzeichnet haben, das Netz und seine Funktionalitäten nicht kennen, zum anderen muss angemerkt werden, dass offenbar die „Gegenseite“ keine Ahnung von Verlagswesen und Autorenschaft hat.
Da muss zusammengeführt werden.
Einer, der sich seit Jahren bemüht, Netz und Kunst zusammenzuführen, einer, der sich mit der Theorie des Bloggens beschäftigt hat und dessen eigenes Blog ganz offen seine Arbeit präsentiert, ist Alban Nikolai Herbst. Leider wird er viel zu wenig erwähnt, was ich ganz bedauerlich finde. Auch deshalb, weil hier jemand zu finden wäre, der als namhafter Schriftsteller auch ein namhafter Vertreter jener ist, die dem Internet und seiner Möglichkeiten offen, ja sogar enthusiastisch gegenübersteht.
Alban Nikolai Herbst hat verschiedentlich zu Fragen von Urheberrecht und – ganz gegen meine eigene Meinung, aber sehr fundiert – zum Beispiel zum Fall Hegemann Stellung genommen. Es wäre schön, wenn im Rahmen der nun zu führenden Debatte um Urheberrecht und Internet, also Konsumentenrecht und Zitierrecht, mehr Augenmerk auf die gelegt werden würde, welche, man kann schon sagen: mit dem Mut der Verzweiflung, einfordern, dass Autoren sich mit Verbreitungstechniken auseinandersetzen und technischen Fortschritt annehmen und beides nicht aus Unkenntnis ablehnen.
Zugleich muss doch klar sein: Ohne das Netz, ohne seine Möglichkeiten und die Menschen, die das immer noch offenbar für viele neue Medium nutzen – als Blogger, als Journalisten – wird Kunst in Zukunft nicht auskommen. Der Niedergang des Feuilletons, die verminderte Gesamtseitenzahl, die Zusammenlegung von Zeitungen, machen es nötig, das Netz als Ersatz für das Feuilleton der Zeitungen und Zeitschriften zu nutzen. Dabei ist es mir unverständlich, weshalb so wenig durch die Printmedien davon innovativ Gebrauch gemacht wird. Das Netz macht die dickere Zeitung dadurch möglich, dass Artikel eben nicht unter den Tisch fallen, sondern im Netz zu finden sind. Es wäre eine gute Sache, wenn namhafte Tageszeitungen sich im Internetfeuilleton mit Ballack und Co. beschäftigen würden und frei gewordenen Platz in der Printausgabe zum Beispiel dafür nutzen würden, der längst überfälligen Rezeptions des Werks eines Alban Nikolai Herbst‘ Raum zu geben. Wobei sie natürlich nicht darauf verzichten sollten, diesen Printartikel dann auch im Internet zu veröffentlichen.
Es gibt keinen Grund für eine Angst vor dem Netz. Es gibt keinen Grund für die Verwendung von Einschränkungsformen, wie dem Digital Rights Management. Es gibt jedoch allen Grund dafür, zu fordern, dass das Netz, seine gewachsenen Formen und Regularien auch in den Köpfen derer ankommen, die ihm skeptisch gegenüber stehen, obwohl es dazu wenig Anlass gibt.
http://albannikolaiherbst.twoday.net/
Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. (etk Link)
Die Dschungel. Anderswelt
Erste Lieferung
Essay / Erzählung
von Alban Nikolai Herbst
September 2011, 132 S., 13,7 x 20,5 cm, Klebebindung
ISBN: 978-3-905846-18-8, €14 / 22 SFr
„Wie Anfang des letzten Jahrhunderts die Künste, vornehmlich Musik, dazu tendierten, ihre Entstehungsgeschichte als Teil der Komposition-selbst zu begreifen, so ist der derzeit attestierte Hang von Literatur zum Privaten dessen Weiterentwicklung. Die psychischen Bedingungen zur Entstehung eines Werkes werden zu seinem Material, einem Material. Insofern jedes Werk ohnedies Palimpsest ist, kann es nicht mehr darum gehen, die Spuren zu verkitten, also klassisch bzw. klassizistisch zu arbeiten. Zwar ist auch diese Tendenz Symptom der in sich antinomen Postmoderne. Doch führt die Öffnung der privaten Räume zu einer tieferen Fundierung von Kunst, als zugegeben sein soll. Genau hierfür steht das Literarische Weblog.“ (Klappentext, Auszug)