Ich nehme ihm die Tüte aus der Hand, stelle sie auf den Tisch, ziehe Kevin wieder zu mir heran, fasse unter sein T-Shirt, fühle seine warme, weiche Haut, seine Brustwarzen, klein, hart, fühle seinen Atem, der nun stoßweise geht. Das T-Shirt über den Kopf und auf den Boden. Den Gürtel auf. Die Hose. Und sehen, wie sie herabfällt, sich um die Schuhe legt. Und dann die Unterhose: schnell nach unten gerissen. Ein Stoß und Kevin liegt auf der Matratze, ein erigierter Käfer auf dem Rücken. Ich entkleide mich, während ich auf seiner Brust hocke, kämpfe mit meiner Jeans, verrenke mich, um nicht absteigen zu müssen. Und dann bin ich über ihm. Fühle seine Zunge, fühle eine böse Lust hochsteigen in mir, gegen die ich mich nicht mehr wehre. Lasse mich zur Seite fallen, als ich alle Lust herausgestöhnt habe. Dann schaue ich Kevin zu, lasse vorsichtig meine Hände auf seine Wangen patschen und dann werden aus den Patschern Schläge, auch die vorsichtig anfangs.
Und danach den noch eine Zeit lang keuchenden, rotwangigen Kevin im Arm, seinen heißen, ja, ja, wirklich heißen, Atem auf der Haut. Sein Schweiß, der warm noch ist, vermischt sich mit meinem schon kalten. Leichtes Frösteln umfließt mich. Alles ist gut für einen Moment. Und in diesem Moment kann ich mir vorstellen, mit dem da morgens in der Küche zu sitzen und zu frühstücken, kann mir vorstellen mit ihm den kommenden Tag zu besprechen {„Willst Du mitkommen morgen“, „Ich weiß noch nicht.“, „Wollen wir Hähnchen essen?“, „Lieber Nudeln mit Pesto“, „Am Wochenende kommen meine Eltern“, „Ich backe einen Kuchen … sie mögen doch Kuchen?“}, da sehe ich uns in einem Café sitzen, Latte trinken, Zeitung lesen, uns auf Artikel hinweisen, da sehe ich uns tanzen zu schweren Beats, da sehe ich uns Wäsche waschen und den Abwasch machen. In diesem Moment. Ich schließe die Augen und der Moment geht unter in weißer Gischt. Ein weißer Wal schießt aus ihr herauf. Auf seinem Rücken Ahab. Und der ist nicht Kevin. Und noch mit geschlossenen Augen steigt in mir wieder die Lust auf Flucht auf, regt sich die Sehnsucht nach Einsamkeit. Diesmal einer Einsamkeit allein mit mir, bei mir zu Hause. Eine große Sehnsucht nach meiner Wohnung, dem Ort, wo keiner ist, außer mir.
„Ich sollte gehen“
„Immer haust Du gleich wieder ab“
„Ich muss doch morgen früh aufstehen.“
„Du kannst doch auch hier schlafen“.
Ich gebe ihm einen Kuss. Mehr braucht es nicht. Dann greife ich meine Klamotten und ziehe mich an. Ich will jetzt nicht duschen. Auf meiner Haut mischt sich der Geruch des Silberhaarmanns mit dem Geruch Kevins. Ich empfinde ein Gefühl von Betrug und ich bin die Betügerin. Habe mir geholt, was ich kriegen konnte. Habe mich nicht gegeben, habe aber genommen. Ein gutes Gefühl ist das, eigenartig, eimalig, groß.
Kevin liegt noch nackt auf dem Bett, als ich mit dem Ankleiden fertig bin. Ein Kuss noch, einer, der Abschiedskuss ist und nichts anderes. „Ich liebe Dich“, sagt Kevin. Oh, mein Gott. Jetzt auch das noch. Aber ich schweige, tue so, als hätte ich es nicht gehört und suche das Weite.