Florian Kirner ist Liedermacher, er richtet jedes Jahr im Mai das Paradiesvogelfest in Thüringen aus. Er ist ehrlich und man kann ihm trauen. Kirner gehört zu den Gründungsmitgliedern von Aufstehen. Offenbar hat Antje Vollmer daran Anteil. Er hat also von Anfang an zu Aufstehen gehört und war auch Teil der Führungsmechanismen. Im guten Glauben, es ginge um eine entstehende Bewegung.
Nun schreibt er bei Facebook: „Als es noch so aussah, dass Sahra bei der Fraktionsklausur der LINKEN im Januar als Fraktionsvorsitzende abgewählt werden könnte, hat Sevim Dagdelen der Fraktion mehr oder weniger offen damit gedroht, aus Aufstehen eine eigenständige Partei zu machen. In der Führung von Aufstehen haben die Vertreter der Linkspartei gleichzeitig ebenfalls diskret oder offen Druck in diese Richtung gemacht.
Als die Abwahl dann allerdings ausblieb, hat uns Oskar dann im Arbeitsausschuss lang und breit erklärt, warum Aufstehen doch keine Partei werden, sondern eine Bewegung bleiben müsse.“
Von anderen lese ich ganz ähnliche Berichte. Auf www.aktionscampus.de schreiben u.a. Ludger Vollmer und Marco Bülow „Wir haben uns nachdrücklich für einen Bundeskongress im Sommer eingesetzt und einen provisorischen politischen Vorstand gebildet, der die notwendige Grundsatz-Klärung mit dem Rechteinhaber nach bürgerlichem Recht, dem Verein Aufstehen, anstreben sollte und der eine wirklich demokratische Vertretung der verschiedenen Ebenen der Bewegung für den Sommer vorbereiten sollte. Diesem provisorischen politischen Vorstand gehörten durch Beschluss des Arbeitsausschusses Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi, Ludger Volmer, Marco Bülow, Hendrik Auhagen und Sabrina Hofmann an. Bevor eine zwingend notwendige und endlich terminlich vereinbarte Krisensitzung zwischen diesem Vorstand und dem Verein stattfinden konnte (13. März), deren Ergebnisse dann von dem dazu vom Kreis der Initiatoren bestimmten politischen Arbeitsausschuss (14. März) beraten werden sollten, erklärte Sarah Wagenknecht am Wochenende ihren Rücktritt von jeder Führungsverantwortung. Sie teilte dies vorab weder der Bewegung, noch den Mitinitiatoren oder den Kollegen im Vorstand mit, noch suchte sie unmittelbar danach das Gespräch. Wir erfuhren es aus den Medien. So sehr wir begreifen, wie hart die Auseinandersetzungen Sahra Wagenknechts in den Machtkämpfen in ihrer eigenen Partei waren und so sehr wir ihr eine gute persönliche Zukunft wünschen – diesen Umgang mit der Bewegung, die sie selbst gegründet und die auf sie vertraut hat, halten wir für politisch nicht verantwortlich.“
Da sind die Mitglieder der LINKEN doch verwundert. Immer und immer wieder haben diese ja mitgeteilt, dass es die Arbeitsmethode von Wagenknecht ist, par order de mufti für sich selbst Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese andere, ja ganze Organisationen betreffen, und diese Entscheidungen dann per Pressemitteilung zu verkünden.
Was sich sagen lässt: Sahra Wagenknecht und Oscar Lafontaine, Sevim Dagdelen und vielleicht auch Fabio de Masi haben die scheinbare Bewegung Aufstehen für den persönlichen Machtkampf in der LINKEN gebraucht, aufgebaut und missbraucht. Und sie sind es ja auch, die den Spin gesetzt haben, die Abwahl Wagenknechts stünde bevor. Das war anlässlich der Fraktionsklausur in diesem Winter. Ein selbst ins Spiel gebrachtes Gerücht, das wohl als self–fulfilling prophecy zur Abwahl führen sollte. Damit hätte die Gruppe um Wagenknecht mit dem Opferstatus im Reisegepäck in der Tat eine neue Partei gründen können. Und offenbar waren sie davon überrascht, dass die Bundestagsfraktion der LINKEN nicht so dumm war auf diese Neo-Form der Emser Depeche hereinzufallen.
Bei näherem Hinsehen hat sich dann für den Napoleon aus dem Saarland und der Fraktionsvorsitzenden der Eindruck ergeben, dass eine Mailingliste mit 170.000 Teilnehmern noch keinen politischen Sommer macht.
Es ist schade für (und um) die, die als ehrlich unabhängige Linke mißbraucht worden sind. Es ist schade wegen des Schadens, den die LINKEN für den Putschversuch hinnehmen musste. Ein Neuanfang muss her. Und der kann nur ein Schnitt sein. Es wäre sinnvoll für Aufstehen und die LINKE, wenn sich Wagenknecht zeitnah von ihren Ämtern in der Fraktion zurückziehen würde.