Man sollte die Abwahl von Kauder nicht falsch bewerten. Der Fraktionschef hat es in der Vergangenheit nicht verstanden, die Fraktion der CDU in die Schlacht zu führen. Angesichts der schwindenden Zustimmung auch zur CDU suchen viele den Weg in der Flucht nach vorn. Brinkhaus ist zwar konservativ, aber kein Hardliner. Ich gehe davon aus, dass die Abgeordneten sich erhoffen, die CDU-Fraktion könne mit ihm mit mehr Schwung in die Offensive gehen und damit das Heft des Handelns wieder in der Hand bekommen.
Die Wahl führt die Fraktion auch aus der Verschweißung mit der Regierungspolitik. Sie kann also als politische Kraft auftreten. Das Konzept wird nach rechts sicher aufgehen. Vermutlich wird Merkel mitschwenken und die Wahl wird ihr letztlich auch mehr Handlungsspielraum geben. Nach links in der Wählerschaft der Union wird es scheitern. Es wird die Grünen stärken und den liberalen Flügel dauerhaft schwächen. Es ist denkbar, dass die Grünen in den Metropolen nicht nur gelegentlich der CDU Bürgermeisterfunktionen wegnehmen werden, weil sie zu ihrer schon gewonnen Klientel noch die der liberalen Wähler der CDU hinzugewinnen können.
Die Grünen allerdings müssten dann weitere Türen nach rechts zur Union hin öffnen. Das wiederum wird, so steht zu vermuten, die SPD befördern, weil Zugewinne der Grünen programmatisch verfestigt werden müssen und damit Wähler verlorengehen. Die SPD kann daraus Nutzen ziehen, falls es ihr gelingt, selbst wieder einen staatstragenden sozialliberalen Kurs zu fahren, wie etwa die Schmidt-SPD der Siebziger.
DIE LINKE muss sich gegen die Gefahr Wähler an die SPD zu verlieren wappnen und deshalb endlich als Partei auftreten. Sie muss weg von der Vorstellung Sammlungsbewegung zu sein. Das wird nur gehen, wenn im Parlament verlässliches Führungspersonal die Vorstandssessel einnimmt und es zu einen Einklang in den programmatischen Aussagen von Partei und Fraktion kommt. Dazu werden Personalwechsel nötig sein. Die Spitzenkandidatenwahl wird bei SPD und LINKE ein sehr schwieriger Prozess werden. Beide können mit dem jetzigen Personal nicht antreten. Die Sozialdemokraten nicht, weil Nahles für viele Wähler der SPD nicht wählbar ist. Die LINKE, weil sie sich nicht ständig mutwillig Zerreißproben aussetzen darf.
Die Brinkhauswahl bringt Bewegung in den Politikbetrieb. Das kann vorwärtsweisend genutzt werden, falls der Mut nicht fehlt.
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