Die bayrische LINKE ist von einer schlechten Ausgangsposition gestartet. Ohne nennenswerte Verankerung in den Stadt- und Gemeinderäten hat sie versucht, ihr politisches Landtagsgebäude ohne Fundament zu errichten. Das ist sicher einer, wenn nicht der wesentliche, Punkt für das unerwartet niedrige Ergebnis. Wochenlang sah es nach dem Einzug in das Parlament des Freistaates aus. Nun sind es knapp über drei Prozent geworden, die die Partei in die politische Scheuer einfährt. Aber zu diesem Debakel, das freilich nur hinsichtlich der Erwartungshaltung eines ist, denn man ist ja bei zwei Prozent gestartet, kann nicht nur die mangelnde kommunalpolitische Verankerung beigetragen haben. Es waren auch andere, ganz und gar nicht hausgemachte, Umstände. Den Wahlkämpfer*innen der LINKEN in Bayern ist auch ein Bein gestellt worden.
Vor knapp vierzehn Tagen hat die Bundestagsfraktion ohne Gegenstimme die Unterstützung und Teilnahme an der #unteilbar-Demonstration beschlossen, an der 250.000 Menschen teilnahmen. Vor wenigen Tagen hat die Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Sahra Wagenknecht, auf einer Veranstaltung, die von der Fraktion ausgerichtet wurde, verkündet, ihre „Aufstehen-Bewegung“ würde nicht zur Großdemonstration aufrufen. Den Beschluss der Fraktion repetierte sie nicht. Das verunsichert erheblich die Stammwählerschaft der LINKEN. Diese Stammwählerschaft besteht zu einem großen Teil aus Aktivisten der Antirassismusbewegung, findet sich in Kreisen der sogenannten Flüchtlingshilfe und dem Widerstand gegen Rechts. Diese Wähler verstehen nicht, weshalb die Partei Sahra Wagenknecht immer wieder damit durchkommen lässt, Beschlüsse nicht wahrzunehmen, sie nicht zu vertreten, ja das Gegenteil der Beschlusslagen zu verkünden. Wen, so fragen sich viele, wählt man denn da, wenn man die LINKE wählt? Die Beschlüsse auf Landes- und Bundesebene oder die Alleingangspolitik Sahra Wagenknechts. Es steht zu erwarten, dass viele Stimmen aus diesem Bereich an die Partei DIE PARTEI abgewandert sind oder gar nicht abgegeben wurden. Wenn es der Fraktion der LINKEN im Bundestag nicht gelingt, zu einem Einklang mit den Beschlüssen der Partei zu kommen und ein geschlossenes Bild abzugeben, wird es auf Dauer schwierig werden die Wähler*innen aus diesen Kreisen bei der Stange zu halten.
Die Illusion, die LINKE sei die SPD der frühen Jahre und es gäbe noch ein zu gewinnendes geschlossenes Industrieproletariat, das sich auch als solches empfinde, ist eine Illusion, die durch Realitätsmangel hervorgerufen wird. Die Arbeiterklasse und ihre Milieus, das Kleinbürgertum, sie haben sich diversifiziert. Man kann sie nicht geschlossen gewinnen, weil es sie geschlossen gar nicht gibt. Die Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die Bezieher staatlicher Transferleistungen sind nicht dadurch für die LINKE zu mobilisieren, dass Spitzengenossinnen an der Partei vorbei während des laufenden Spiels aufs eigene Tor schießen. Diese Menschen sind übrigens in hohem Maße engagiert in der Flüchtlingsfrage, sie haben einen großen Anteil an der konkreten Arbeit der Initiativen vor Ort gehabt, sie engagieren sich vielfältig. Die Mär, die in diesen Bereichen Aktiven wären ausschließlich und überwiegend Menschen, denen es finanziell gut geht, die gar zu einer Art örtlichen Elite gehören würden, ist zwar weit verbreitet, aber dennoch Unsinn.
Der bayrischen LINKEN muss es gelingen im Kommunalwahlkampf 2020 das Fundament für den Einzug in den Landtag im Jahr 2022 zu legen. Das wird sicher gelingen. Die Zahl der Mitglieder ist in den Monaten seit der Bundestagswahl eklatant gestiegen, die unsäglichen und unsinnen Querelen der Vergangen sind vorbei. Die Partei ist handlungsfähig und will die politische Teilhabe. Wenn nun auch die Bundespartei und ihre Abgeordneten im Bundestag dafür sorgen, dass die Fraktionsspitze personell verlässlich gestellt wird, wird die LINKE das Zeug haben, langfristig zu einer Partei von Gewicht zu werden.