Der Oberbürgermeister von Schwäbisch-Gmünd hatte eine Idee und er hat sie umgesetzt. Zur Zeit wird der Bahnhof der Stadt umgebaut, er soll barrierefrei werden. Da bleibt Ungemach nicht aus und so müssen Reisende zur Zeit über eine steiltreppige Brücke von Gleich zwei nach Gleis Vier wechseln. Fahrräder, Kinderwagen und schwere Koffer müssen über das Hindernis geschleppt werden. Da fielen dem Oberbürgermeister die ortsansässigen Asylbewerber ein.
Und so sind nun Flüchtlinge aus Kamerun, Nigeria, Afghanistan und Pakistan in roten T-Shirts mit dem Aufdruck „Service“ und einem Strohhut gegen die Sonne auf dem Bahnhof dafür zuständig, Reisenden das Gepäck übers Hindernis zu schleppen. Für einen Euro und fünf Cent pro Stunde. Das ergäbe, bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden einen Tagesverdienst von 8,40 €.
Es mag sein, dass der Oberbürgermeister tatsächlich von seiner Aktion positiv überzeugt ist. Vielleicht steht in fehlentwickelter humanistischer Gedanke hinter der Idee. Gründlich daneben ist sie gleichwohl – und zwar ganz unabhängig davon, ob die Asylsuchenden freiwillig, gar ‚gerne‘, den Gepäckträgerdienst auf dem Bahnhof antreten oder eben nicht. Denn es geht um mehr.
Bernd Sattler vom Arbeitskreis Asyl: „Wir haben schon die ganze Zeit überlegt, wie wir die Flüchtlinge einbringen sollen, das ist jetzt eine gute Möglichkeit.“ (zitiert nach Gmünder Tagespost vom 24.7.13). Sie also, Oberbürgermeister, Bahn und Arbeitskreis Asyl „bringen die Flüchtlinge“ ein. Da schlägt, sicher ganz ungewollt, der europäische Kolonialismus durchs gesprochene Wort, dass es eine historische Erleuchtung ist. Und der Oberbürgermeister munkelt, man könne dieses Pilotprojekt auch in anderen Städten übernehmen.
Für 1,05 € und der Hoffnung auf Trinkgelder, um die Oberbürgermeister die Reisenden zu bitten nicht vergisst, schleppen also Menschen aus Asien und Afrika den Einheimischen das Gepäck über die Treppe. Der Lohn ist nicht auf dem Mist der Stadtverwaltung gewachsen – nein, er ist der gesetzliche Höchstlohn für Asylbewerber. Die Asylgesetzgebung der Bundesrepublik ist der inhumane Versuch Menschen von einem rettenden Hafen fernzuhalten und ihnen, sind sie erst mal hier, das Leben so schwer wie möglich zu machen. Eine Gesetzgebung für die ich mich fremdschäme, fremd deshalb, weil mir in der Tat der Gedanke, der hinter diesem unmenschlichen Machwerk steht vollständig fremd ist.
Man darf der Ausbeutung nicht Vorschub leisten, Herr Oberbürgermeister. Und so wäre selbstverständlich eine Aktion, die zugleich das Problem an Ihrem Bahnhof durch fleißige Hände mildert und Asylbewerber aus der Diaspora holt, eine gute Sache gewesen, wenn Sie und ihre Stadtverwaltung so viel Mut gehabt hätten zu sagen: „Wir zahlen den Leuten einen anständigen Lohn, auch wenn wir dafür das Gesetz brechen müssen“. Sie hätten damit eine bundesweite Diskussion um die Lebenssituation initiieren können – weit über die Diskussion hinaus die derzeit der Protestcamps wegen läuft. Sie hätten warten können, bis ein Verwaltungsgericht Sie deshalb verurteilt und Sie hätten, wenn auch eine mögliche Strafanzeige hinnehmen können. Bis zum Europäischen Gerichtshof hätten sie gehen können, als Be- oder Angeklagter. Aber dazu hätte ihre Aktion mehr sein müssen, als der Versuch, Billigjobs im Servicebereich zu schaffen.
Foto: Asylbewerber03 – Foto: Andreas Bohnenstengel