Sie richtet den Blick auf das
bislang in der Arendt-Rezeption wenig beachtete Konzept des Begriffs
des Lebens. Ihrem Ansatz nach ist „dies der größte Glanz ihres Genies,
das die Krise der modernen Kultur in ihrer Mitte trifft, dort, wo sich
ihr Schicksal auf Leben und Tod entscheidet“.
Dabei gliedert sie ihre Arbeit in drei Abschnitte – die Biographie
Arendts („Das Leben ist eine Erzählung“), der Auseinandersetzung mit
dem Totalitarismus („Die überflüssige Menschheit“) und der Frage nach
dem handelnden Subjekt („Denken, wollen, urteilen“).
Bei der Biographie zeichnet sich eine deutliche Fokussierung auf das,
für sie prägende Verhältnis zu Martin Heidegger, als auch auf ihre
Identität als Jüdin ab, die u.a. in ihrer Arbeit über die Jüdin Rahel
Varnhagen, die in Berlin einen einflußreichen literarischen Salon im
19. Jahrhundert führte, ihren Ausdruck findet. In diesem Rahmen ist der
Fokus auf das philosophische Schaffen gerichtet – weniger auf die
biographischen Randdaten ihres Lebens. Als roter Faden durchzieht das
Konzept der „Erzählung“ die Studie.
Der zweite Teil widmet sich vorrangig Arendts Konzept von
Totalitarismus und Antisemitismus – aufbauend auf ihrem Hauptwerk
„Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ und unter Bezugnahme
auf die Berichterstattung vom Eichmann-Prozeß. Der dritte Teil ihrer
Arbeit widmet sich der Arendtschen Aktualisierung nach dem handelnden
Subjekt („Aktualisierung eines ‚Wer‘“, S. 273). In diesem Abschnitt
präsentiert Julia Kristeva einen sehr interessanten und bislang zu
wenig beachteten Zugang zum Werk Arendts und bietet interessante
Überlegungen für eine Interpretation von Arendts politischer
Philosophie an, welche wiederum in Auseinandersetzung mit ihrem
ehemaligen Geliebten und Diskussionspartner Martin Heidegger sich
geschärft hat.
Als Mantel dieser Studie dient Kristeva die Auseinandersetzung mit dem
Konzept des weiblichen Genies, einer Kategorie, der sie Arendt
sicherlich nicht zu Unrecht zuordnet. Dieser Mantel verleiht zwar der
Arbeit eine persönliche Note, da Kristeva darin ihre persönliche
Wertschätzung Hannah Arendts zum Ausdruck bringt, aber bringt der
Analyse keine neue Erkenntnisse. Kristeva hätte sich diesen Abschnitt
sparen können, da er nicht bereichernd wirkt, sondern als abgetrennt
von der Analyse und wenig verknüpft da steht. Im Ganzen jedoch ein
wichtiger und ausgesprochen empfehlenswerter Beitrag über die
Philosophin Hannah Arendt, der über die gängigen Analysen hinausreicht
und neue Perspektiven auf ihr Werk eröffnet. Zu dem ist das Buch in
einem flüssigem und gut zu lesendem Schreibstil geschrieben.
Julia Kristeva: Das weibliche Genie. Hannah Arendt, Europäische
Verlagsanstalt Hamburg 2008, ISBN: 978-3-43446173, Preis: 16,90 Euro,
388 S..