Es hätte eine spannende Veröffentlichung werden können …
Ausgerechnet einen aus dem Lateinischen entlehnten Begriff – Gemma [~ Knospe, Edelstein] – hat der griechische Philosoph Dimitirs Liantinis als Titel für sein letztes Buch verwendet. In Gemma beschäftigte er sich in sechzehn, nicht inhaltlich miteinander verbundenen Kapiteln mit der Frage, was den Menschen ausmacht. Zentrale Begriffe für ihn sind in diesem Kontext Eros und Tod. Dabei spiegelt sich wie auch in seinen Gesamtwerk eine Glorifizierung der antik-griechischen Philosophie wider. Redundant greift er auf jenes antike Denken zurück, in dem er glaubt, eine gewisse Vollkommenheit zu entdecken, und ruft seinen Leser zu einer Besinnung darauf auf. Ähnlich wie Nietzsche, der zeitweilig zu seinen Forschungsthemen gehörte, stellt er den griechischen Geist dem der judäisch-christlichen Philosophie gegenüber – z.T. in einer meines Erachtens einem blinden Enthusiasmus verfallenden Form gegenüber der griechischen Antike, bei der unangenehme nationale Töne durchklingen, und der sich in einer Romantisierung einer vormodernen Gesellschaft verläuft. Diese Greekophilie drückt sich bei ihm u.a. auch in dem Versuch aus, in der Form der klassischen Philosophie, eine Symbiose aus Poesie und Philosophie zu erreichen, was ihm auch streckenweise sehr gut gelingt.
Die Lektüre jenes Autors, der in seinem Heimatland ein Bestseller war, ist für einen „fremdländischen“ Leser allerdings mit einiger Mühe verbunden. Liantinis schöpft immer wieder aus der griechischen Mythologie, Literatur- Philosophiegeschichte, die sich nicht automatisch dem Leser offenbart. Eine andere, leichter verständliche Inspirationsquelle ist die klassische, deutsche Literatur, die er bei seinem Aufenthalt in Deutschland aufgesogen zu haben scheint.
Die Übersetzung des Werkes hinkt leider auch an vielen Stellen – so lässt in der Übersetzung Homer Odysseus von einem „Swimmingpool“ reden und ein Protagonist aus Dostojewskis Roman „Die Dämonen“ greift zum „Stromkabel des Selbstmord“. Wiederum andere Passagen werden lediglich in (alt-)griechischer Originalfassung abgedruckt, so dass sie beim normalen Leser nur Fragen hinterlassen. Auf – z.T. zum Verständnis des Textes benötigte Anmerkungen – wurde gänzlich verzichtet. Ebenso erweist sich das Vorwort – von seiner Frau verfasst – als sehr schwach – über den Hintergrund des Autors erfährt man – außer ein bisschen Lobhudelei – nichts Relevantes.
Die Veröffentlichung des Buches hätte spannend sein können, scheitert aber leider an der diletantischen Umsetzung derselben und den fehlenden Anmerkungen. Zum anderen zeigt sich wieder, wie ärgerlich es ist, wenn ein Verlag über kein Korrektorat und Lektorat verfügt… – im Buch finden sich neben vielen unglücklich übersetzten Passagen eine Reihe von Tippfehlern.
Nikoslitsa Georgopoulou-Liantini (Hrsg.): Dimitris Liantinis – Gemma. Wie man Mensch wird, Frank & Timme Verlag Berlin 2011, ISBN: 978-3865963666, 249 S., Preis: 29,80 Euro.