Über Autismus kursieren sowohl bei Mediziner:innen und psychologischem Fachpersonal als auch bei der Allgemeinheit noch immer diverse stereotype Vorstellungen, die von Medien noch perpetuiert werden. Autist:innen mögen Flugzeuge oder Züge, haben außergewöhnliche Fähigkeiten, aber leider keinerlei Einfühlungsvermögen, bewegen sich roboterhaft oder können niemandem in die Augen gucken, geschweige denn zufriedenstellend ein Gespräch führen. Und überhaupt: Frauen sind nur ganz ganz ganz selten von Autismus betroffen!
Clara Törnvall ist zweiundvierzig, als sie schließlich ihre Autismusdiagnose erhält. Für Frauen ist es keine Seltenheit, spät (oder schlimmstenfalls auch gar nicht) diagnostiziert zu werden. Nicht selten haben sie einen jahrzehntelangen Leidensweg hinter sich und diverse andere Diagnosen angesammelt, auf Autismus kamen Behandler:innen selten. Für Clara Törnvall ist die Diagnose nicht etwa ein Stigma, sondern eine Befreiung. Endlich weiß und versteht sie ihre Kämpfe, ihr nagendes Gefühl des Andersseins, ihre Irritation in vielen sozialen Situationen, ihre Erschöpfung nach sensorisch besonders herausfordernden Erfahrungen.
In „Autistinnen“ wirft sie einen Blick auf schädliche Stereotype und mögliche Gründe dafür. Wie konnten Ärzt:innen so lange glauben, Autismus betreffe vor allem Jungen? (Auch hier wieder: Jungen und Männer verkörpern die Norm, an der alle anderen sich messen lassen müssen.) Wie lassen sich die Stereotypen langsam aufbrechen? Welche Überzeugungen verhindern noch immer einen wertschätzenden Umgang mit autistischen Menschen, insbesondere denen, die nicht auf den ersten Blick auffallen? Clara Törnvall hat ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben, von dem man sich wünschen würde, dass es Menschen erreichte, die noch immer glauben, Autist:innen wären alle wie Sheldon Cooper.
(Das Buch wurde aus dem Schwedischen übersetzt von Hanna Granz.)