boersenspek_proudhon1853 war auch schon heute

Gemeinsam mit Georges Duchêne verfaßte der französische Sozialist Pierre-Joseph Proudhon 1853 das „Handbuch des Börsenspekulanten“ („Manuel du spéculateur de la bourse“) als Auftragsarbeit des Pariser Verlagshauses Garnier frères. Innerhalb von wenigen Jahren erschienen in Frankreich mehrere, überarbeite Neuauflagen, die seit der dritten Auflage mit Nennung Proudhons als Verfasser versehen wurde, sowie recht schnell zwei Übersetzungen ins Deutsche. (1857 erschienen separat von einander zwei deutsche Übersetzungen, wobei es sich bei beiden um gekürzte Versionen handelte.) Basierend auf einer anonym erschienen Übersetzung von 1857, die sich auf die dritte, unter der Angabe von Proudhon als Verfasser bezog, hat der Wirtschaftswissenschaftler Gerhard Senft, der in den letzten Jahren wiederholt Werke des in Deutschland fast vergessenen Ökonomen Proudhon publiziert, hat diese Schrift nun vor dem Hintergrund der anhaltenden Wirtschaftskrise erneut veröffentlicht.
Proudhon unternahm in dieser Schrift – unter tatkräftiger Mitarbeit von Georges Duchêne (?) – die Analyse der Börse. Duchênes genauer Anteil am Zustandekommen der überarbeiteten Versionen wurde von Senft nicht weiterim Anhang thematisiert – wie dieser sowieso nur in einer Randnotiz erwähnt wird.
Ausgehend von einer Annäherung an den Begriff der Spekulation im einleitenden Kapitel (3-36) über eine Deskription von unterschiedlichen Börsenoperationen (37-112) im zweiten und der Analyse von Akteuren, Institutionen und Handelsobjekten im dritten Kapitel (113-146) bis hin zu einem Ausblick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen dessen im Abschlußkapitel (147-182) umreißt er das Themenfeld. Die politisch-philosophischen Ansichten Proudhons, die er nach seiner mehrjährigen Inhaftierung in Saint-Pélagie und dem Scheitern seines Volksbankkonzeptes vertrat und sich vor allem im Abschlußkapitel widerspiegeln, würde eine eigene Untersuchung beanspruchen. Eine Einordnung dessen im Kontext des Proudhonschen Werkes fehlt leider ebenfalls seitens des Herausgebers. Er folgt dabei der 1857 anonym erschienen, bereits gegenüber der Originalfassung (aus dem gleichen Jahr) gekürzten Übersetzung, die er der Lesbarkeit-halber noch weiter gekürzt wurde. „Gegenüber dem französischen Original enthält der deutschsprachige Text etliche Kürzungen, die sich vor allem aus dem Verzicht auf die Auflistung und Beschreibung verschiedener börsennotierter Gesellschaften ergaben. Für die Neuausgabe von 2009 wurde eine weiter Straffung des Textes vorgenommen“ (312).
Neben dem Text, den Senft nur spärlich mit Anmerkungen ergänzt hat, beinhaltet das Werk eine kurze Geschichte Finanzmarktentwicklung (189-265) sowie eine Chronologie der wichtigsten Finanz-Krisen und-Skandale (267-275) und ein Nachwort, indem der Versuch einer Einordnung dieser Schrift in den Kontext des Werkes von Proudhon unternommen wird. Der Versuch der Einordnung weist dabei einige blinde Flecken auf. Er unterläßt u.a. eine Einordnung dieses Werkes in die generellen ökonomischen Überlegungen und berücksichtigt nicht die Erfahrung, daß ein paar Jahre zuvor Proudhons eigenes Volksbankkonzept gescheitert ist. Er impliziert somit – ungeprüft – eine Kohärenz im Denken Proudhons. Ebenso findet die Tatsache, daß es sich bei dieser Schrift ursprünglich um eine Auftragsarbeit handelte, keinerlei Beachtung. Stattdessen verliert er sich teilweise in einer allgemeinen Darlegung der wirtschaftlichen Vorstellungen Proudhons und dessen allgemeiner Rezeption – ohne die spezielle Rezeption jenes Werkes darzulegen.

Pierre-Joseph Proudhon: Handbuch des Börsenspekulanten, herausgegeben von Gerhard Senft, Lit Verlag Wien 2009, 313 Seiten, Preis: 24,90 Euro, ISBN: 3643500289.