Das Buch bleibt nicht nur theoretisch, sondern portraitiert anhand von
Beispielen offene Neonazis in der schwulen Szene und offene Schwule in
der Neonazi-Szene. Es kommen aber auch in Interviews Menschen zu Wort,
die diesem Treiben entgegen treten. So z. B. der erste bekennende
schwule Bundestagsabgeordnete Herbert Rusche (ehemals "Die Grünen"),
auf den am 12. März 1984 bei einem Vortrag in München ein Anschlag
verübt worden war. Auch enthält es ein Interview mit Gottfried Ensslin.
Er war in den 1970er Jahren aktiv in der Frankfurter Gruppe "Rote Zelle
Schwul" (ROTZSCHWUL), einer der ersten Homogruppen der BRD. Dieser
berichtet auch davon wie er im November 2006 grundlos von einem
vermummten Sondereinsatzkommando der Berliner Polizei
zusammengeschlagen wurde.
Ein weiteres sehr gutes Interview gibt der Sprecher des Berliner
Vereins "Gays & Lesbians aus der Türkei" (GLADT) Koray
Yilmaz-Günay. Mit ihm spricht Markus Bernhardt sowohl über rassistische
und homophobe Übergriffe der Neofaschisten als auch über das
rassistische Verhalten von Teilen des LSVD und der sich als
Opferschutzorganisation darzustellenden Vereins MANEO, der zwar jeden
Überfall aufnimmt solange ein Opfer angibt, es könnte auch ein
"Südländer" gewesen sein, aber sofort nichts mehr macht, wenn das Opfer
von Polizisten angegriffen wird wie im Fall Ensslin. Auch der bekannte
schwule Filmemacher Rosa von Praunheim kommt in diesem Buch zu Wort,
der 2005 den Film drehte "Männer, Helden und schwule Nazis".
Markus Bernhardt geht auch auf ein Thema ein, das in der schwulen Szene
fast vergessen ist. Wer kennt sie noch die "Rosa Listen" die von der
Polizei angelegt wurden um Schwule effizienter nach § 175 verfolgen zu
können? Im Mai 2005 deckte der "Verein lesbischer und schwuler
Polizeibediensteter" (VelsPol) auf, dass es solche Listen wieder gibt.
Es wurde auch bekannt, dass ein damals noch ungeouteter junger Aktivist
der antifaschistischen und antiimperialistischen Szene unter Androhung
seines Outings von Polizeibeamten gegenüber seinem herzkranken
Großvater dazu genötigt wurde eine Aussage zu machen. Vor allem aber
geht es in dem Buch um eben die im Titel benannten schwulen Nazis.
Seien es "Aussteiger" wie Bernd Ewald Althans oder der verstorbene
Neofaschist Michael Kühnen. Auch das Internet und da gerade das schwule
Datingportal "Gayromeo" wird unter die Lupe genommen. In diesem Portal
haben sich auch Rechte in politischen Clubs zusammengefunden.
Viele glauben ja heute noch, dass das sogenannte "antideutsche" oder
"antinationale" Spektrum irgendwie "links" einzuordnen sei. Auch diesem
Märchen geht der Autor auf den Grund. Die "Antideutschen" darunter auch
die Gruppe "Queer for Israel" unterstützen noch heute den
US-amerikanischen "Krieg gegen Terror". "Eine der Hauptaktivitäten der
sich stetig rassistischer gerierenden Ex-Linken besteht mitunter darin,
ihre politischen Gegner mit abstrusen Antisemitismusvorwürfen zu
belegen und sie so diskreditieren zu wollen." So der Autor.
Antisemitisch ist man z. B. dann, wenn man sagt: "Der Staat Israel ist
ein kapitalistischer Staat, der einen anderen Staat besetzt hält. Ich
unterstütze die politischen Bewegungen in Israel und Palästina, die für
ein freies sozialistisches Israel und ein freies sozialistisches
Palästina kämpfen." Soweit meine eigene Erfahrung mit diesem
Personenkreis.
Alles in allem muss man sagen, dass dieses Buch sehr flüssig
geschrieben ist und sehr gut zu lesen ist. Markus Bernhardt hat eine
erstklassige Recherche für dieses Buch betrieben. Er hat ein Buch
geschrieben, dass man jedem nur empfehlen kann. Sei er/sie homosexuell,
bisexuell, transgeschlechtlich oder heterosexuell.
Markus Bernhardt: Schwule Nazis
erschienen bei Pahl-Rugenstein – ISBN 978-3-89144-387-3
Euro 16,90 (D)