ungehorsamIm Jahre 2012 hat das Bündnis Interventionistische Linke gemeinsam mit der Rosa Luxemburg Stiftung eine Konferenz zum Thema « Ziviler Ungehorsam » organisiert, an der nach Veranstalterangaben rund 400 Menschen teilnahmen. Nun ist der Tagungsband bei Edition Assemblage mit einer Creative Commons Lizenz erschienen. Die Beiträge selber sind auch im Netz zu finden. Über die Ausrichtung jener Konferenz heißt es im Editorial: « Ein zentrales Anliegen der Konferenz war es, über die antifaschistischen Blockaden in Dresden hinaus Protestformen des zivilen Ungehorsams anderer Bewegungen zu thematisieren, zu erzählen und zu diskutieren » (7).

Der Begriff des « zivilen Ungehorsam » wird dabei sehr weitgefasst, um nicht zu sagen – völlig verwässert. David Henry Thoreau, Mahatma Gandhi und Martin Luther King wird dabei indirekt ihre Aktualität und Bedeutung abgesprochen und zu Gunsten von Jürgen Habermas’schen Leerformel von Zivieln Ungehorsam als « Protest gegen einen unhaltsamen Zustand » aufgegeben.

Den Auftakt übernimmt Alex Demirovic, der in seinem Beitrag « Eine Frage der Reife » das Verhältnis von Ungehorsam und Demokratie beleuchtet. Er entwickelt dabei eine These Max Horkheimers bezüglich der Konformität weiter. Bei seinem Beitrag möchte man ihm die Lektüre des Aufsatzes « Das unwahre Prinzip unserer Erziehung » von Max Stirner ans Herz legen. Dieser hatte bereits 1842 gegen die Erziehung zur Konformität polemisiert. Leider verbleibt Demirovic in der Marx’schen Schiene…. Dennoch bietet sein Beitrag sicherlich einiges an Diskussionsanregungen.

Der zweite konstitutive Beitrag stammt von Thomas Seibert, der die Verwandtschaft von Demokratietheorie als Forschungsfeld und zivilen Ungehorsam einer Betrachtung unterzieht. Der Fokus ist auf die Theorie der radikalen Demokratie gerichtet. Auch hier lässt sich sicherlich der eine oder andere relevante Aspekt diskutieren und dem Autor gelegentlich vehement widersprechen.

Die sonstigen Beiträge hingegen wirken etwas blass. Anna Dohm und Henning Obens erzählen grob die Geschichte des zivilen Ungehorsams in Deutschland seit den 80er Jahren, Julia Mücke beschäftigt sich mit diskursiven Legitimationsressourcen etc.…. Die meisten der neun Texte bleiben auf einer narrativen Ebene stehen. Wirklich neue Erkenntnisse bieten die Beiträge nicht. Sie lesen sich nett, aber vermitteln den typischen Duktus von Texten linker Studierender und Studierter.

Der Band krankt insgesamt etwas an der marxistisch-kommunistischen Versteifung im Denken. Es ist weitgehend der übliche Brei aus Karl Marx, Frankfurter Schule und Antonio Gramscis Hegemoniebegriff, der hier in Bezug auf den zivilen Ungehorsam wiedergekäut wird. Eine Diskursanalyse darf natürlich auch nicht fehlen – schließlich ist das Konterfei Lenin in der modernen linken Bewegung dem Michel Foucaults gewichen. Ebenso wenig fehlt eine Prise Gender Studies. Es spiegelt dabei den Zustand einer marxistisch-orientierten Linken wieder, die wie es im Editorial schwärmerisch und etwas realitätsfern den damit auch verbundenen Identitätsverlust ignorierend heißt: « Die außerparlamentarische Linke wurde zu einem zuverlässigen und starken Bündnispartner, was sie auch gesellschaftlich sichtbarer machte und zum Teil aus der politischen Isolation herausholte » (11). Einen Blumentopf kann man damit sicherlich nicht gewinnen – geschweige denn eine Revolution…..

Maurice Schuhmann

Friedrich Burschel / Andreas Kahrs / Lea Steinert (Hg.): Ungehorsam! Disobedience! Theorie 1 Praxis kollektiver Regelverstösse, edition assemblage Münster 2014, 142 S., Preis: 14 €, ISBN: 978-3-942885-60-7.

Im Internet unter: http://www.rosalux.de/publication/40672/ungehorsam-disobedience-1.html