Alma Deutscher hat gesagt, sie wolle „schöne Musik machen“. Das bezog sich natürlich nur auf den Klang, nicht auf den Inhalt, nicht auf die zu transportierende Nachricht. Ich will mir das zu Herzen nehmen. Dieser Tage erscheint nun endlich das Langgedicht Obszön. Das ist noch in der mir in den letzten zehn, fünfzehn Jahren passendsten Weise
geschrieben. Ungereimt, frei, kaum rhythmisch. Aber vielleicht sollte ich diesem Gedicht, mit dem ich zufrieden bin, ein weiteres, gereimtes Langgedicht folgen lassen.
Hier also ein Gedicht von der Art, die ich zuvor geschrieben habe. Ganz frisch und im ICE nach Hamburg entstanden. Der Versuch, eine Adressatin oder einen Adressaten zu finden wird übrigens scheitern. Es gibt keine Adressperson. Es sollte zuerst ein Gedicht über die Unmöglichkeit werden, die sanften Hügel Frankens vollständig in Worte zu fassen — hat dann aber ganz ohne mein Zutun gemorpht.
Und welche Wörter ich zur Kette reihe,
so gut ich es aus meiner Kraft vermag,
welch Wörter ich zu deinem Spiegel weihe,
welch Klang ich dem Akkord verleihe,
es ähnelt dir nur, wie die Nacht dem Sonnentag.
Dein Lächeln macht, wenn alles bitter, alles sauer,
den Schierlingstrank zum Nektar noch.
Es biegt zur Kurzweil jede lange, trübe Dauer,
Es zieht den Weinenden aus seiner tiefen Trauer,
und ist am End‘ ein Schauspiel doch.
Ein Bühnenstück, das alle, die es sehen, glauben,
Tragödie um die Wirklichkeit zu rauben,
dem ganz und gar betrognen Publikum.