Reimer Boy Eilers, der aus Helgoland stammende Schriftsteller, hat mit „Die Schiffbrüchigen von Tumbatu“ den Versuch gewagt, mit einem Langgedicht sich der Tragödie der Sklaverei zu näheren. Der Versuch ist gelungen.
Die Form ist fast ganz ins Vergessen geraten. Zwar hält sich Howl noch, das lange Gedicht von Allen Ginsberg über „seine“ Generation im Bewusstsein, auch lebt in der Gothicszene noch das Gedicht „Lost Paradise“ von John Milton, mehr aber gibt es nicht im allgemeinen literarischen Wissen. Das mag sich nun ändern. Vielleicht auch, weil die Zeit bereit ist, zu alten Formen zurückzukehren und also das Sprichwort vom alten Wein in neuen Schläuchen umzukehren. Möglicherweise, weil auch die große Menge des leidvoll Erzählnotwendigen mehr als die Formen Novelle und Roman braucht. Anne Weber hat mit „Annette, ein Heldinnenepos“ den deutschen Buchpreis gewonnen. Eine hohe Auszeichnung für eine fast noch solitäre Formgebung. Fast noch, weil ja auch das Langgedicht von Reimer Boy Eilers auf dem Markt ist und, wenn ich mir erlauben darf, das anzufügen, auch mein, allerdings nicht gereimtes und viel mehr in Verbindung mit Howl stehendes Langgedicht „Obszön“.
Die Form folgt bei Reimer Boy Eilers auch in ihre notwendigen Kantengebung dem Inhalt. Und der Inhalt – ein Tourist erledigt Hitze, Sonne und der afrikanischen Umwelt und verliert sich in der anderen Wirklichkeit einer vielleicht gar nicht halluzinativen Einbildung –, führt uns, die Menschen weißer Hautfarbe und europäischer Herkunft in die Welt der Sklaverei und Ausbeutung. Es mag mir erlaubt sein deshalb darauf hinzuweisen, dass es sinnvoll ist, sich antiquarisch (ich glaube, aus laufender Produktion ist es nicht erhältlich) das Buch „Aus Menschen Neger machen“, dass vor Jahrzehnten im verstorbenen Galgenbergverlag erschienen ist. Es ist quasi die kühle Sachebene zu Eilsers wortreichem, facettenreichem, poetikreichem Gedicht.
Dabei ist das Gedicht zwar fiktional in den handelnden Personen, dem Touristen und dem ihn begleitenden Heiler, nicht jedoch in den geschilderten Fakten. Wie immer, auch in seinen anderen Bücher verfährt Eilers so, hat der Schriftsteller mit Akribie und Sorgfalt Fakten recherchiert und Zusammenhänge durchleuchtet.
Herausgekommen ist ein ebenso poetisches, wie politisches und ästhisches Meisterwerk. Denn Eilers gelingt es wortreich und ausdrucksstark eine Brücke zwischen historischem Geschehen und aktueller Wirksamkeit zu schlagen.
Unbedingt lesenswert!