Im kleinen und, wie soll ich sagen?, etwas eigenartigen elbaol verlag hamburg, ist ein Büchlein mit Gedichten von Günter Abramowski erschienen. „vom turm“ heißt der schmale Band, ist zum Schleuderpreis von 5,95 Euro zu haben und auch in Ihrer Buchhandlung bestellbar.
Ich schreibe auch Gedichte. Ich liebe Lyrik. Ich bin mit Heinrich Heine persönlich befreundet, seit ich mit zwölf oder dreizehn Jahren im Kleinen Roten Schülerkalender „Krähwinkels Schreckenstage“ las. Ich kann Süverkrüpps Baggerführer auswendig und trinke gelegentlich mit Hölderlin Tee. In meinem Arbeitszimmer lungern Shakespeare, Borchert, Goethe und Villon herum; ganze Heerscharen Lyriker lümmeln sich auf den Regalbrettern und tanzen in meinem Kopf die modischen Tänze ihrer Zeit. Ich halte Polly Scattergood für eine singende Lyrikerin und nicht für eine poetische Sängerin. Aber moderne deutsche Lyrik? Die geht mir oft auf den Geist (oder Sack, Senkel, fällt mir auf den Wecker, wie immer Sie gerne sagen wollen). Da gibt es natürlich Ausnahmen. Alban Nikolai Herbst und seine Bamberger Elegien zum Beispiel. Aber das ist ganz eigentlich gar nicht neue deutsche Lyrik, sondern zeitlos. Oder Erich Fried, der auch aus allen Zeiten fällt und natürlich Franz Josef Degenhardt, dessen Lieder so oft Gedichte sind, die sich eine Musik gesucht haben, wie Sonne sich eine Anbeterin.
Sie dürfen mir also trauen, wenn ich Ihnen sage, dass Günter Abramowski, dessen Namen ich noch mehrfach wiederholen werde, damit er sich einprägt, sich in ein erhebliches Risiko begab, als er mir unverlangt seinen Gedichtband zusandte. Er war indes nicht eingeschweißt, also mit einer Shrinkfolie versehen. Das hätte seine Chancen gelesen zu werden gegen Null gedrückt. In den unteren Fächern meiner Regale stehen lauter verfolierte Bücher unbekannter Herkunft. So blieb er auf meinem Schreibtisch liegen. Bis ich darin blätterte. Dafür, das Bändchen aufgeschlagen zu haben, könnte ich mich knutschen. Ich bin so gut zu mir! Denn es ist ein gutes Buch! Eines voll der schönsten Gedichte. Der Tag, am Donnerstag war‘s, war trübe, langweilig … na so ein Tag eben, der vorbeigeht, als wäre er gar nicht dagewesen. Jedenfalls sah es so aus, bis zu dem Moment, an dem ich Günter Abramowskis Gedichte „vom turm“ aufschlug.
Das was als erstes auffällt ist, dass hier in der Tat verdichtet wird. Zusammengeschoben, reduziert. Und natürlich ist es wie dem Konkreten bei Hegel. Nicht der Tisch ist konkret, der ist abstrakt, sondern die Atome, die ihn bilden sind es. Und Abramowski zeigt dem Leser genau das: Die Atome, nicht das Möbel. Seine lyrischen Ichs sind immer auch lyrische Weltenausschnitte, die auf das Innere zielen. Und bei der, in dieser Form der Dichtung unvermeidlichen Semi-Manieriertheit der Sprache schießt er nie über das Unvermeidbare hinaus, spielt nicht mit Wörtern um der Wörter willen, sondern arrangiert sie des Inhalts wegen.
Das zweite, was auffällt ist, dass, bei aller Eigenständigkeit, diese Gedichte in der Tradition der Surrealisten zu stehen scheinen. Die Einschränkung erscheint mir wichtig. Denn sie sind nicht surreal im Sinne Naums oder Bretons. Dazu gibt es einen zu starken Einschlag, der an die Dunkelheit Georges oder Trakls Verengungen erinnert, aber auch an Däubler.
Manche Gedichte Abramowskis reimen sich verhalten, sind also zwar mit einem Reim versehen, aber nicht auf ihn fokussiert. Andere verlieren sich in einzelnen Wörtern, die über mitgedachte Assoziationsketten funktionieren. Manchmal sind sie aber auch ringelnatzig. Ich will aus dem Dichter ja keinen dunklen Gesellen machen.
Wenn Sie also Lyrik mögen, und ich hoffe, Sie mögen Lyrik, empfehle ich Ihnen sehr den Erwerb dieses schmalen Bändchens. Es lohnt sich.
Günter Abramowski
vom turm – gedichte
Elbaol Verlag Hamburg
ISBN 978-3-939771-27-5