Die Kanzlerschaft Helmut Kohls hat der damaligen Bundesrepublik, und ihn ihrer Nachfolge Deutschland insgesamt, in der Tat eine geistig-moralische Wende gebracht. Allerdings eine, die sich zugleich zurück zur Begrenztheit des eigenen Haushaltes wendete, als auch zu einer neoliberalen Sicht auf die Aufgaben von Politik und Staatsverwaltung. Nicht mehr der Streit um Tendenzen und Grundeinstellungen, sondern um die Lösung kurzfristiger Aufgaben wurde unter Kohl zum Ziel der Politik.
Diese Politik wurde in der Nachfolge Kohls, insbesondere unter Kanzler Schröder, noch verstärkt. Die neoliberale Politik der rot-grünen Regierung war nicht nur eine Hinwendung zu einem Politikmodel der Machbarkeit und der illusionistischen Idee einer Mitte, die stets richtig liege, weil sie lösungsbetont das Tagesgeschäft abhandele, sondern war zugleich die Abkehr von jeglicher Vision einer Gesellschaft, die freier, sozialer und partizipativer als die jetzige Formation wäre.
In der Folge hat auch die Linke, die nun sozusagen der Mitte angeklebt war und sich von ihr nicht mehr lösen konnte, in ihrer Art gestalten zu wollen viele Komponenten neoliberaler Weltsichten übernommen. Die Streitbarkeit ist bis auf kleine, leider oft sektiererische Teile der Linken, zu einer Diskursarbeit verkommen, deren Ziel nicht eine hegemoniale Ideenschöpfung ist, sondern ein «vive et laisse vivre» ist. Aber mit „leben und leben lassen“, also mit der (neo) liberalen Idee, dass alles gleich und damit alles auch egal sei, ist eine positive Weiterentwicklung von Gesellschaft nicht möglich. Aber der Gedanke, dass Meinung zwar zu äußern, aber nicht zu hinterfragen, kritisieren und, wo aufgrund der eigenen Positionierung, zu bekämpfen sei griff schon unter Schröder Raum auch in der Linken.
Nun gibt es ein, immer weiter werdendes, Ideengeflecht, dass die Freiheit der Rede nicht mehr zu ihrer dauerhaften Wahrung beschränken will. Es ist aber der Grundkonsenz der freiheitlichen Gesellschaft, dass die Freiheit der Grundrechte dort aufhört ohne Restriktion zu sein, wo sie selbst zu ihrer Abschaffung mißbraucht werden. Oder um es verständlicher für alle auszudrücken: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Dieses laissez-fair hat aber dazu geführt, dass jene, die völkische, nationalistische Ideenwelten in die Linke getragen haben, die organisatorische Oberhand gewannen, wie bei einigen Teilen der Friedensbewegung, und Angriffe gegen sich mit dem Argument kontern, die gegensätzliche Positionierung wäre ein Angriff auf die Freiheitsrechte.
Eine Linke, die sich gegen rechte Tendenzen in der Gesellschaft durchsetzen will, auch hegemonial, darf selbstverständlich diese Tendenzen nicht in sich selbst als Partizipanten dulden, auch nicht mit dem Argument des inneren Prinzipienstreites.
Die Linke braucht den Willen, die geistig-moralische Wende erneut, und nun als eigene, zu vollziehen und von den falschen Diskurskonstrukten eines neoliberalen Akzeptanzfetisch zu einer streitbaren, auf den Sieg im Meinungsstreit angelegten Handlungsperspektive zu kommen. Sie, die Linke, ist die Kraft, die in der Tradition jener bürgerlichen Revolutionen steht, welche die Bürgerlichen Freiheitsrechte hervorgebracht haben. Es steht ihr an, diese Freiheiten auch zu verteidigen. Und dazu gehört die Verteidigung vor der Vereinnahmung durch die Feinde dieser Freiheitsrechte. Es gibt keine bürgerlichen Freiheiten in der Einengung des Völkischen oder des Nationalistischen. Die darin getragenen Freiheiten sind von anderer Art, nämlich von der, die das völkische Kollektiv meinen und nicht das Individuum. Im Völkischen und Nationalistischen verkommen bürgerliche Freiheitsrechte zur Farce.
Die Linke muss deshalb zu sich selbst zurückfinden, also eine Wende vollziehen, sie braucht ihren transkulturellen Internationalismus wieder und eine Abkehr von der Idee, auch die rechtsradikale Idee der Solidargemeinschaft sei es wert erwogen zu werden. Die scharfe Debatte in der öffentlichen Auseinandersetzung und die klare Handlung auf der Straße sind Aktionsmomente, die verstärkt werden müssen.