Wir brauchen eine ruhige Urheberrechtsdebatte, die zu allererst Zielgebiete definiert und dann erst die konkreten Zielorte. Wir brauchen eine angstfreie, auf der Basis der technologischen Möglichkeiten geführte Auseinandersetzung, die solidarisch ausgetragen wird. Wird sind noch weit davon entfernt.
Ganz offenbar ist das Internet eine technische Möglichkeit, die den Rahmen der bisherigen Formen vollkommen gesprengt hat. Wir können nicht auf Besitzständen beharren, die sich schon deshalb nicht mehr durchsetzen lassen, weil der technische Überbau, der sie möglich und notwendig machte, nicht mehr gilt. Die Einzeledition, also das Buch, der Tonträger, das Filmmaterial, die in messbaren Stückzahlen reproduzierbar war, wird verdrängt durch eine Technik, die Reproduzierbarkeit in unkontrollierbaren Kopien möglich macht. Dem muss Rechnung getragen werden. Durch Verweigerung geht das nicht.
Es ist weder dem Künstler dienlich, noch der Kunst, nicht dem Schriftsteller, noch dem Werk, wenn es Beschränkungen in der Verbreitung der Werke außerhalb des kommerziellen Bereiches gibt. Aber natürlich wird diese Verbreitung – sie ist ja da – dazu führen, dass die kommerzielle Verbreitung abnimmt, also die Tantiemen der Schöpfer und der Verlage geringer werden. Deshalb muss man einen Ausgleich erzielen. Dieser Ausgleich kann nicht allein vermittels freiwilliger Zahlungen im Netz geschaffen, sondern muss selbstverständlich durch Ausschüttungen erreicht werden. Eine Urheberrechtsabgabe scheint mir daher ein Mittel zu sein, welches geeignet ist, eine gewisse Regulation darzustellen. Aber sie reicht allein nicht aus.
Vielmehr muss auch unter dem Aspekt der Kunstschöpfung das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert werden. Nachdem ich, aus Gründen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, wenn man so will, gegen das Grundeinkommen war (Niedriglöhne und Inflationsschübe nennen ich als Stichworte), bin ich mir meiner Meinung gar nicht mehr sicher. Möglicherweise wird es keinen Inflationsschub geben. Sicher aber ist, dass das bedingungslose Grundeinkommen als Fundament Mindestlöhne braucht, damit es nicht als Lohndumpinginstrument eingesetzt werden kann. Es würde jedoch auch für Künstler eine Basis schaffen, die die Arbeit an der Kunst ermöglicht, und zu dieser Basis würden die Ausschüttungen und die noch verbliebenen Tantiemen hinzukommen. An den Ausschüttungen allerdings müssten auch die Verlage beteiligt werden, weil natürlich die Arbeit von Lektoren, Korrektoren, Toningenieuren, Produzenten usw. bezahlt werden muss. Es müssen also Substitute geschaffen werden, welche die bisherigen Entlohnungsmechanismen stabilisieren oder ersetzen.
Im Gegenzug muss die Verbreitung frei sein. Da die Rezeption des Werks, auch im Rahmen der Umfeldpräsentation, keine Rolle spielen kann – denn sie spielt jetzt ja auch keine, gäbe es bei einer gerechten Entlohnung der Beteiligten keinen Grund mehr, die Verbreitung von Werken zu unterbinden, wie es die GEMA, gegen die Interessen der Kunstschaffenden – meine ich – zur Zeit z.B. bei YouTube tut. Künstler wollen von ihrer Kunst leben, jedenfalls die meisten, und zweitens sehen, dass sie verbreitet, also bekannt wird. Beides wäre solcher Art zu schaffen.
Und natürlich ist Kunst, wie ein Haus. Man kann sie vererben. Dazu werden zehn Jahre Nutzbrauch über den Tod des Künstlers hinaus nicht reichen. Allerdings scheinen mir siebzig Jahre, wie bislang, auch nicht eine Zeitspanne zu sein, die sowohl das Recht der Allgemeinheit auf Nutzbarkeit von Kunst widerspiegelt, also auch das Recht von Erben, ihr Erbteil zu nutzen. Mir scheint der Generationsbegriff da vielversprechend zu sein. Eine Frist von dreißig Jahren, also einer Generation, wäre möglicherweise ein Kompromiss, der beidem gerecht wird: Dem Interesse der Erben und dem Interesse der Allgemeinheit.
Viele Künstler, Schriftsteller, Musiker in medial beschränktem Rahmen auch bildende Künstler nutzen das Internet zur Verbreitung ihrer Werke. Literarische Blogs – verwiesen sie hier beispielhaft auf Alban Nikolai Herbst (Link unten) – sind Teil des literarischen Lebens. Sie müssen deshalb durch die Deutsche Nationalbibliothek gespeichert werden, weil sie ein erhaltenswertes Kulturgut sind.