Die gesellschaftlich Linke und der Kulturkampf

Der Clash der Kulturen ist da. Und niemand kann ihm entgehen. Er ist, neben der Eigentumsfrage, die er umgibt wie ein Nebel, die Kernfrage, der sich die gesellschaftliche Linke zu stellen hat. Und dieser Kampf ist nicht einfach zu führen. Denn natürlich ist es eine globale, weltweite Auseinandersetzung, die viel mit dem Zusammenwachsen der Welt durch technologischen Sprünge zu tun hat, aber auch viel mit der Angst vor diesen Sprüngen.

Niemand, nicht ich, nicht andere, sind in der Lage umfassende Antworten auf die Frage zu geben, was die Linke, hier, in Europa, in der Welt gar, zu tun hätte in dieser Auseinandersetzung. Doch ein internationaler Diskurs, eine Debatte und damit die Entwicklung von angepassten Strategien ist dringend nötig. Ohne dass die Linke, wie während den Revolten der Sechziger so stark wird vorwärtstreibend in die Gesellschaften zu wirken, wird auch die Eigentumsfrage nicht erfolgreich gestellt werden können. „Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ gilt nur für den Moment des größten Hungers. Dann schon ist die Frage da, ob auf die Bühne linke Rapper oder rechte Barden kommen werden, ob die heimische Scholle vom Bauern oder von einem Mitglied des Nährstandes beackert wird, ob die Frau an den Herd gehört und für das Mutterkreuz die Beine breit machen soll oder ob sie halt einfach ein weiblicher Mensch ist, der bedeutungsgleich, aktionsidentisch und rechtsebenbürtig ist zu ihrem männlichen Gegenstück. Dann fragt sich, ob Heimat und Volk zu mutterbodenschweren, brauen, dunklen Begriffen werden, die in ihrem Klang das sind, was die Anbauwand in Gelsenkirchner Barock für das Wohnzimmer ist.

Durch die erzwungenen Migrationen, die ja weltweit, und in und nach Europa nur sehr gelinde, stattfinden, treffen unterschiedliche Ansätze aufeinander. Sie sind in der Regel nicht ideologisch und gleichen sich an, wo bei die Erfahrung zeigt, dass im Normalfall die größere individuelle Freiheit über Ansätze kollektivistischer Lösungen obsiegt. Diese Kulturunterschiede sind nicht von Dauern, nicht schlimm und haben nichts von kritischen Massen.

Jene, die ideologisch daherkommen, sind die Gefahr. Da macht es nichts, ob es sich um religiös verbrämte Heilsideen handelt, wie beim IS oder den Taliban, um Großmachtphantasien mit und ohne faschistoide Ansätze, wie bei der AKP und der MHP in der Türkei oder fanatischen Hindugruppen in Indien. Es gibt keinen Unterschied in der Gefährlichkeit zwischen einem Mitglied der Grauen Wölfe und der Pegida, zwischen einem Mitglied der AKP und einem der AfD, zwischen einem der Lega Nord und der Hindutva aus Indien. Sie erheben ihre Herkunft zu einem heiligen Gral um den sich sofort jene Kräfte scharen, die genau das für die Durchsetzung ihrer profitmaximierenden Ideen brauchen.

Einher mit dem Erstarken der Rechten weltweit und der fanatischen Hingabe an Blut und Boden geht eine Ratlosigkeit der Linken weltweit, die sich im Abwehrkampf sich selbst gegenüber befindet und lieber entflechtet, statt ein starkes Gewebe zu bilden. Wir brauchen in dieser Situation sicherlich auch ein paar Dutzend Vietnams für, respektive gegen, die aufstrebenden imperialistischen Zentren, die Türkei und Russland oder für die Regionalmacht Saudi-Arabien. Wir brauchen aber noch viel mehr tausend Seilschaften über die Grenzen hinweg. Vereinigungen von fortschrittlichen Verlagen, von Südafrika bis Kanada, Bündnisse von Musikern von den USA bis Papua Neuguinea, von Wissenschaftlerinnen und Tänzern, von Basisgewerkschaftlerinnen und Schülern. Wir müssen, wie die Rechten, die Mittel nutzen, die die Technologie uns doch an die Hand gibt. Wir brauchen einen globalen linken kulturellen Aufbruch. Wir sollten darüber reden, wie das ordentlich zu machen ist, dauerhaft, tauglich, ergebnisorientiert und, weil der Sozialismus nicht in Sicht ist, so, dass all diese Initiativen nicht durch die internationalen Konzerne zerstreut werden können, weil ihre Betreiberinnen ausgehungert worden sind.