Anhand von Arbeiten und Vorträgen, die er zwischen der Publikation
jener beiden Schriften gehalten bzw. publiziert hat, nähert sie sich
der Thematik und stellt eine Verbindung zwischen den beiden Werken her
in Form eines in seinem Werk nachvollziehbaren Entwicklungsprozeß.
Weiterhin versucht sich aufbauend auf dieser Entwicklung das Konzept
für einen darauf aufbauend möglichen Widerstand, was sich daraus für
das Subjekt nach Foucault ergibt, darzustellen. Sie schreibt
diesbezüglich: „Erst in den achtziger Jahren entdeckte Foucault
Möglichkeiten, der Normierungsmacht etwas entgegenzusetzen was ihr
äußerlich ist und von anderer Beschaffenheit als sie selbst. Im Rahmen
seiner Untersuchung der antiken Selbsttechniken entdeckt er die
Möglichkeit, ein Subjekt zu denken, dem die Fähigkeiten zu
selbst-bezüglich-aktivem und nicht bloß reaktivem Handeln eignet, was
für eine Widerstandspraxis unerläßlich ist“ (S. 16). Anhand von drei
Kapiteln, in denen sie sich mit den Gründen für den Wandel (2.
Kapitel), mit den Formen der Selbstkonstitution (3. Kapitel) sowie der
Art und Weise von Foucaults Herangehen an die antike Existenzästhetik
(4. Kapitel) beschäftigt, operationalisiert sie dabei die Frage. Sich
an Primärtexten und einigen wenigen, aber relevanten Sekundärtexten
langhangelnd, klärt sie kurz und knapp die Grundannahmen über
„(Bio-)Macht“, „Sexualdiapositiv“ u.ä., um darauf basierend den
einzelnen Schritten des Wandelns im Denken Foucaults zu widmen, was
ausgehend von „Geschichte der Gouvernementalität“ in drei Schritten
verläuft. Ihr Zwischenfazit diesbezüglich lautet: „Die
Wiedereinführung einer subjektiven Erfahrungsdimension hat nichts zu
tun mit einer Rückkehr zu der früher verworfenen Ansätzen der
Subjektphilosophie oder den Humanwissenschaften. […] Das ethische
Subjekt der Lebenspraxis, das sich in konkreten Verhältnissen mit Hilfe
von Selbsttechniken konstituiert, ist nicht identisch mit dem
epistemischen Subjekt der Bewusstseinsphilosophie“ (S. 57). Die von
Anja Trebbin im dritten Teil unternommene Untersuchung der Konstitution
des moralischen Subjektes, der sich an dem Band „Gebrauch der Lüste“
orientiert, zeichnet die dreier, einander ablösender ethischer Modelle
nach. Ihre Untersuchung ist diesbezüglich stark an der von Hans Herbert
Kögler („Michel Foucault“) vertretenen Interpretation Foucaults Denken
orientiert, den sie auch die Zentrale These des Zwischenfazits in den
Mund legt – Foucault suchte in diesem Zuge „alternative Möglichkeiten
der Selbstkonstitution des Moralsubjekts aufzuzeigen“ (S. 104). Der
anschließende Abschnitt widmet sich der Frage nach der
ethisch-politischen Bedeutung der Selbsttechniken, die wie sie gut
herausarbeitet, einen hohen Anziehungswert für Foucaults Denken
hatten. Um diesen Aspekt klarer zu fassen greift sie die von Clemens
Kammler (Michel Foucault. Eine kritische Analyse seines Werkes)
vorgebrachte Kritik des „Privatismus“ heraus und klopft unter jenem
Gesichtspunkt seine Theorie noch einmal ab, um anschließend ein
prägnantes und an vielen Stellen neue Perspektiven eröffnendes Resüme
zu ziehen.
Die Studie von Anja Trebbin ist vom Stil her z.T.
sehr esoterisch ausgelegt; sie richtet sich rein an eine sehr
Foucault-belesende Leserschaft mit viel Vorwissen. Wissen über das Werk
und auch die Biographie wird von ihr stillschweigend vorausgesetzt. In
manchen Passagen hätten eigene Gewichtungen der Texte und kurze
Einordnung in den Gesamtkontext von dem Philosophen und seinem Werk
dennoch gut getan, um als Leser ihre eigenen Ansichten besser zu
spezifizieren zu können und den Blickwinkel schärfer charakterisieren
zu können. Streckenweise scheint sich die Autorin zu eng an Köglers
Interpretation zu klammern – ohne den Mut zu haben, dessen
Interpretation zu hinterfragen. Die Auswahl der Sekundärliteratur
allgemein – lediglich mit zwei englischsprachigen Titel
deutschsprachige Literatur – verwundert etwas. Eine
Forschungsstandanalyse, die über die Auswahl und Bedeutung der von ihr
verwendeten Texten Klarheit verschafft hätte, bleibt sie schuldig. Eine
Einbeziehung der französischen Forschung zum Gegenstand der
Untersuchung hätte möglicherweise noch weitere wichtige Impulse
geliefert und weiterführende Perspektiven eröffnet. Dennoch muß man
Anja Trebbin bescheinigen, daß sie stringent und nachvollziehbar ihre
Analyse durchführt und darauf aufbauend solide Ergebnisse bezüglich
der Fragestellung liefert. Sie hat somit einen wichtigen Beitrag zur
Klärung eines Grundmißverständnisses des Werkes von Michel Foucault
geliefert – und das ist für eine Magisterarbeit bereits eine gute
Leistung.
Anja Trebbin: Michel Foucaults Weg in die Antike. Zur Bedeutung der Selbsttechniken für den Widerstand gegen die moderne Macht
Logos Verlag Berlin 2007, 149 S., Preis: 13,80 Euro, ISBN: 978-3-8325-1456-3