Ein Mega-Flop für einen Reporter, dessen wöchentliche Beiträge
Hunderttausende von Zeitungslesern regelmäßig montags in den Händen
halten.
Eine E-Mail schreckt ihn auf. Ein Zitat aus seinem Buch und ein
beunruhigender Hinweis auf einen berühmten Hirnforscher, mit dem
Troller früher zu tun gehabt hatte. Als Troller besorgt zum Institut
von Professor Ritter hinter Potsdam fährt, wuseln dort die Truppen der
Spurensicherung. In einem sogenannten Primatenstuhl, einem
Versuchsgerüst, in dem normalerweise Affen wie in Schraubstöcken zur
reglosen Akzeptanz von Tierversuchen am offen gelegten Gehirn verdammt
sind, findet man die übel zugerichtete Leiche des Professors. Und an
der Wand ein Plakat mit einem Zitat und der Unterschrift von Kant.
„Warum Kant?“ fragt die Kommissarin. „Ist es ein Zitat? Von diesem
Philosophen?“ „Nein“, murmelt Troller. „Ist es nicht.“ Und verdrückt
sich. Was Troller keinesfalls zugeben möchte ist, daß die Plakatschrift
eine These aus seinem Buch und daraus abgeschrieben ist. Der Mörder
nennt sich Kant und zitiert Troller.
Kein Wunder, daß sich Trollers Leben schlagartig ändert. Nun hat er
noch weniger Zeit für seine von ihm getrennt lebende Tochter, und den
Rotwein am Ludwigkirchplatz kauft seine Freundin Jane und trinkt ihn
zusammen mit einem Kollegen aus London.
Und der Mörder mordet weiter, verfolgt seine Mission schlitzohrig,
indem er immer wieder aus Trollers Buch zitiert und jenen damit bis
über die Ohren gnadenlos in die Sache hinein zieht, mehr als selbst
einem investigativen Journalisten, der von seiner Neugier lebt, lieb
sein kann. Und der Leser begleitet von der ersten Seite an diesen
Troller willig und zunehmend begeistert. Denn was Jens Johler, der
Autor hinter diesem Troller, geschaffen hat, ist ein hochintelligenter
und spannungsgeladener Thriller, der einen nicht mehr los läßt. Die
„Kritik der mörderischen Vernunft“ ist mittlerweile Johlers dritter
Roman, den er nach „Gottes Gehirn“ und „Das falsche Rot der Rose“ über
die Hirnforschung und deren Mißbrauch (die ersten beiden jeweils mit
Co-Autoren) geschrieben hat: meisterlich recherchiert und als Abbild
von tatsächlichen Vorgängen, die dem Leser das Blut gefrieren lassen,
wenn er sich vorstellen muß, was die Wissenschaft in den Händen naiver
oder machtversessener Politiker, hemmungsloser Konzerne oder
rücksichtsloser Krimineller anzurichten vermag.
Troller kommt nach und nach dem Täter auf die Spur. Doch dafür muß er
viele Federn lassen, und viel Blut fließt die Spree hinunter –
allerdings nur sprichwörtlich, denn die anderen Opfer finden in Bremen
und in Frankfurt den Tod, so daß Troller viel herumkommt, bis er
schließlich bei einer heutigen Wannsee-Konferenz zur rechten Zeit am
rechten Ort ist.
Über den „Terror der Wissenschaft“ und die Frage, ob der Mensch nach
freiem Willen handelt oder überhaupt handeln kann, diskutierte der
Autor anläßlich der am 29. April 2009 stattfindenden Buchpremiere mit
dem Hirnforscher und Neurologen Prof. Dr. Gabriel Curio, der auch sein
alter ego in Johlers Roman findet, vor einer zahlreichen,
interessierten Leserschaft . In passender Umgebung, im Berliner
Medizinhistorischen Museum der Charité wurde Johlers Berlin-Krimi
öffentlich vorgestellt.
Wer das Buch schon gelesen hatte, konnte es über die 540 Seiten kaum
aus der Hand legen. Wer es noch nicht gelesen hat, sei es empfohlen.
Mit Troller als Berliner Ermittler und einem Thema, das unter die Haut
geht, findet man mit der „Kritik der mörderischen Vernunft“ eine
mitreißende Literatur zum eigenen Vergnügen, die man aber auch genauso
gut unbesorgt einfach verschenken kann.
Jens Johler: Kritik der Mörderischen Vernunft
Thriller – Ullstein Verlag München – 540 Seiten – € 9,95
www.jens-johler.de