Kaufen Sie es sich. Auch wenn Sie
nicht arm sind: Gehen Sie in die Buchhandlung Ihres Vertrauens und
erstehen Sie es. Sie machen zumindest einen kleineren Verlag und die
Autoren reicher – auch wenn Sie, ausgestattet mit Aktien,
Wertpapieren, Goldreserven, gefüllten Bankkonten oder Verwandten mit
solchen Attributen, des Buches nicht bedürfen. Wenn Sie das Buch
haben, lesen Sie weiter ….

Aha – da sind Sie wieder. Bevor Sie
das Buch nun aufschlagen, erlauben Sie mir einige Worte über meine
Sicht auf die Dinge. Theo Sarrazin, ein Berliner Senator, dessen
Namen Sie nur deshalb nicht vergessen sollten, weil der Mann ständig
über die Strenge schlägt und zu einem Zeitpunkt, zu dem in „seiner"
Stadt nicht zigtausend Menschen arm wären, einen hohen
kabarettistischen Unterhaltungswert hätte – Theo Sarrazin also hat
vor nicht allzu langer Zeit den Hart-IV-Opfern vorgerechnet, wie
prima es sich mit paar Euro Fuffzich pro Tag leben lässt. Dass der
Herr fröhlich verkündete, welch ein angenehmes Leben außerhalb von
Kultur und Bewegungsfreiheit, ordentlichen Klamotten und des
kleinsten Luxus' geführt werden könnte durch die wunderbare
Errungenschaft, die volkstümlich nach einem verurteilten
Vorstandsmitglied des VW-Konzernes benannt wird, liegt, so vermute
ich, daran, dass er es selbst nicht muss. Die Wahrheit ist natürlich
eine andere, als die sarrazin'sche. Es ist schlecht bestellt um die
Lebensfrohheit, wenn man jeden Cent sooft umdrehen muss, dass er ganz
abgenutzt über den Tresen des Billigladens flutscht.

 

Hier nun setzt – dankenswerter Weise
– das Buch an. Und es tut es mit einer rebellisch-fröhlichen
Attitüde. Es macht Spaß zu lesen, wie man sich mit allerlei Kniffen
und Tricks gegen die farblose Armut zur Wehr setzen und sein Leben
hin und wieder bunt streichen kann. Da wird locker an
Botschaftsempfängen teilgenommen. Und auch wenn das Buch zur Folge
hätte, dass man genauer schaut in Botschaft und Konsulat, wer sich
an Hummerscheren und Waldorfsalat zu schaffen macht – die
Vorstellung, ein paar Hundert Hungerleider würden die Bankette
stürmen, ist keine schlechte. Auch wird mit Tipps zu Reisen,
kostenlosem Bezug von Möbeln aller Art oder kostenlosen Bootstouren
auf Berliner Gewässern nicht gegeizt. Selbst Hinweise auf frische
Kräuter im Garten der Natur fehlen nicht.

 

Nun könne man einwerfen, das sei
unpolitisch. Sich trickreich einzurichten in der, sich nach unten
drehenden Armutsspirale wäre ja gar keine Gegenwehr. Aber solche
Einwürfe machen in der Regel die, die nicht auf dem Weg nach unten
sind. Denn wer die Alternative hat zwischen Botschaftsempfang oder
Flaschbier auf der Parkbank sollte sich unbedingt für die erste
Möglichkeit entscheiden. Rebellion muss nicht bierernst sein, sie
kann auch als Botschaft wirken. Zumindest an sich selbst, also fürs
Selbstwertgefühl.

 

Lesen Sie jetzt das Buch. Machen Sie
sich Notizen, stecken Sie Lesezeichen hinein, nutzen Sie alle
Möglichkeiten aus. Retten Sie sich vorm verschmelzen mit ihrem
heimischen Sofa zu einer festgesessenen Einheit und vertauschen Sie
die Billigdosennahrung mit was Anständigem. Rebellieren Sie! Essen
Sie mehr Hummer!

Eichborn Berlin  ISBN 3-8218-5830-3
€ 8,95 / SFR 17

Homepage für das Buch