Leseempfehlung!
Chatbots, KI-Bildgeneratoren und Co.
Georg Seeßlen ist ein sehr produktiver Autor, Journalist und Medienwissenschaftler der zu vielen – meist popkulturellen – Themen etwas zusagen hat, ohne dass es dabei an Tiefgang mangelt. Auch bei seinem aktuellen Band ist dies der Fall. Er nähert sich der Thematik einer KI-dominierten Welt und wird zu einem fundierten Mahner und Kritiker einer aktuellen Entwicklung. Im Falle von Seeßlen ist es aber kein alter, weißer Mann, der von einem besseren Früher schwafelt und mit dem Fortschritt nicht mitkommt, sondern ein fundierter Medienwissenschaftler, der die Gefahren dieser Entwicklung im Blick hat und explizit benennt.
Ausgehend von den zwei Leitthese:
a) KI ist weder ein Problem der Zukunft noch eine Projektion von Möglichkeiten
b) Es gibt keinen Punkt der äußeren Beobachtung. (vgl. S. 7f.).
entwickelt er seine Argumentation.
Basierend darauf erklärt der Medienwissenschaftler als Ziel seiner Publikation: „Dieses Buch ist eine Kritik der KI-Welt, in der wir mittlerweile schon leben, und es ist eine Kritik der Pläne und Aussichten, der Triumphe und der Katastrophen, die damit verbunden sind.“ (S. 9). Ein breites und umfängliches Projekt, was auch die Seitenzahl des Bandes erklärt.
In 19 Kapiteln behandelt Seeßlen unterschiedliche Aspekte und Zugänge – z.B. das Verhältnis von KI und Popkultur, den Einsatz der KI in der Medizin und Pflege oder auch dem Verhältnis von Wissenschaft und KI. Diese Beispiele bilden die Bandbreite des Einsatzes von KI in unserer Gesellschaft sehr gut ab, wobei er seinen eigenen, medienwissenschaftlichen Background keineswegs leugnen kann. Gerade letztgenanntes Beispiel ist sicherlich von besonderem Interesse – gerade auch wenn es um die vermeintlich freie Software wie ChatGPT geht.
In Bezug auf die zu untersuchenden Ebenen der Betrachtung von KI schreibt er noch im Vorwort zum Forschungsgegenstand: „Wie KI die Gesellschaft oder auch ‚die Welt‘ verändert, das geschieht an den Schnittstellen zwischen beidem [Realität und Phantasma]. Weshalb es in diesem Buch um Realitäten und Phantasmen zugleich geht und nicht etwa darum, das eine gegen das andere auszuspielen.“ (S. 12). Das ist vielleicht auch eine Besonderheit von KI – sowohl in Bezug auf Quantität als auch Qualität-
Die von ihm gelieferte Analyse ist faktenreich, kompetent und reflektiert. Sie bietet viele Denkanstösse, KI anders zu denken und deren Einsatz kritisch zu reflektieren. Wir werden sicherlich nicht mehr die KI aus unserem Leben wegdenken können, sollten aber beim Gebrauch und der Entwicklung einen kritischen Blick beibehalten. Die damit einhergehenden Veränderungen und Auswirkungen auf vielen Ebenen unserer Gesellschaft sind unübersehbar und gleichzeitig unüberschaubar. Wir befinden uns nicht nur in einer technischen, sondern damit verbunden auch in einer kulturellen Revolution, die wir so noch nicht überblicken können. Kritische und fundierte Beiträge wie der hier vorliegende sind daher von großer Bedeutung für einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs. Dabei gibt – bzw. kann auch es auch gar nicht – eine konkrete Handlungsanleitung geben, sondern nur mit seiner Analyse die sich stellende Herausforderung skizzieren – und das macht er sehr gut. Leseempfehlung!
Maurice Schuhmann
Georg Seeßlen: Chatbots, KI-Bildgeneratoren und Co. Wie Künstliche Intelligenz Alltag, Kultur und Gesellschaft verändert, Bertz + Fischer Berlin 2024, 326 S., Preis: 22 €, ISBN: 978-3-86505-777-8.