Teile der Linken, nicht nur in Deutschland, reagieren reflexartig und völlig gegen jede Vernunft auf Kritik an Russland, an China oder Cuba. Sie reagieren auf der Basis von Nostalgie, falscher Erinnerung, auf der Grundlage der sowjetischen politischen Lügen im Kalten Krieg, auf Schönfärbereien vergangener Zeiten. Das schadet in vielerlei Hinsicht. Insbesondere aber im Hinblick auf die Fähigkeit Klassenkampf zu führen und dabei bei der Wahrheit zu bleiben; in Hinblick auf die Möglichkeit positive Visionen für eine bessere Welt zu entwickeln. Und, ein wichtiger Aspekt, hinsichtlich der stimmigen Analyse der Welt.
Im Reflex ist gut, was sich gegen die USA richtet. Diktatoren, wie der syrische Diktator Assad, werden da für einige wenigen zu positiven Figuren eines vermeintlichen Widerstandes. Für wenige nur, die aber sind laut und sie werden gehört, weil sie von bürgerlichen Medien als schlechtes Beispiel und Vogelscheuchen gepampert werden. Zwei entscheidende Beispiele:
1. Cuba ist und war, insbesondere in Hinblick auf die Situation in Lateinamerika im Sozialen, in der Bildung, in der medizinischen Betreuung stets ein Staat, dem man mit Solidarität begegnen sollte. Das gilt aber weder für die Freiheit des Wortes, noch für die Pressefreiheit. Man muss indessen genau diese Fehler benennen, weil Solidarität auch Kritik bedeutet, weil blauäugige Solidarität Dummheit und nichts wert.
2. Das Erbe der Sowjetunion ist nichts, das man mit Stolz präsentieren könnte. Nach der erfolgreichen Konterrevolution Stalins hat die Sowjetunion nie wieder auf den Weg zum Sozialismus zurückgefunden. Sie lief querfeldein, auf nichts bedacht, als auf den Machterhalt der KPdSU. Das war das Erbe von Stalin, dieses Nachfolgers Iwans des Schrecklichen, der jede Form von Sozialistischer Demokratie ermordet hat, der zigtausende Kommunisten und noch viel mehr von jenen, die er für seine sonstigen Gegner hielt, ermordet hat, der die Gulags zu einer Industrie formte. Und auch unter Chruschtschow und Breschnew wurde, abgemildert, die Politik der Unterdrückung fortgeführt. Das Verhalten gegen Pasternak, gegenüber Solschenizyn oder Kopelew, gegen die vielen Regimekritiker*innen, die in psychiatrischen Kliniken verschwanden, die nicht reisen und schon gar nicht ausreisen durften, sprechen eine ebenso beredte Sprache, wie der Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968. Natürlich gab es ähnliche Handlungen und Verbrechen auch durch kapitalistische Staaten. Aber das ist völlig unerheblich bei der Betrachtung linker Identität im einundzwanzigsten Jahrhundert und der Traditionslinien. Man kann schlechterdings keine bessere Welt wollen und dann die Verbrechen der sogenannten sozialistischen Staaten, die das ja auch zu wollen vorgaben, mit denen der Staaten vergleichen, in denen alles staatliche Handeln systemisch dem Profitinteresse unterliegt. Tut man es doch, so lügt man sich in die eigene Tasche.
Die großen bürgerlichen Revolutionen von 1789, 1848, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die Glorious Revolution von 1688 in Groß Britannien (die die Bill of Rights durchsetzte und den König zu einem Repräsentanten machte), sie sind die Basis für jede gesellschaftliche Veränderung. Denn ohne die Freiheitsrechte gibt es keine bessere Gesellschaft. Der Sozialismus muss die Eigentumsfrage bei der Großindustrie, bei Banken und Versicherungen stellen. Aber in einem nicht-demokratischen Staat bleibtdas Eigentum immer Privateigentum. Nicht mehr Eigentum einer Aktionärsversammlung, sondern einer Partei, nicht mehr Eigentum einer Familie, sondern einer kleinen Clique, die den Staat für sich reklamiert und alle Weisheit auch.
Die Linke muss aus der Geschichte lernen. Das geht nur dann, wenn sie den Bruch mit jeder Attitüde von diktatorischer Weltveränderung zugunsten einer demokratischen Weltverbesserung vollzieht. Cuba übrigens scheint drauf und dran, genau das zu tun. Noch nicht es nicht vollständig erreicht, aber die neue cubanische Verfassung scheint geeignet zu sein, eine sozialistische Zukunft in Demokratie zu ermöglichen.
Ohne Glaubwürdigkeit, ohne die Bekenntnis zur Demokratie wird die Linke global nie erfolgreich sein.
Nachsatz: Dazu gehört auch, sich von jeder Nationalstaatsidelogie zu verabschieden. Und auch hier sei der guten Form halber daran erinnert, dass die Idee des Sozialismus auf nationaler Basis eine stalinsche Idee ist. Sie ist zeither Teil der Agenda eines kleinen Teils der Linken. Sie ist aus Gründen persönlicher Herrschaftssicherung entstanden. Sie ist gefährlich und reaktionär. In einer globalen Welt muss die Linke global sein. Sie muss international wirken, und das heißt: gegen die Nationalstaatlichkeit als Doktrin. Sie muss für offene Grenzen, für gleiche soziale Rechte überall – und gegen die Abschottung des reichen Nordens gegenüber dem armen Süden eintreten.
In Frankreich, Spanien, in Deutschland und Großbritannien, in den USA ist diese Gretchenfrage, wie es die linken Kräfte mit der Transnationalität halten, auf der Tagesordnung. Die Antwort entscheidet, ob es gelingt einen internationalen Richtungswechsel hinzubekommen, ob die Mehrheitslinke also revolutionär sein will oder reaktionär.
Das Proletariat hat kein Vaterland und die Linke darf keines haben.