Unter Federführung von Hans Vorländer, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Dresden und Gründer des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Transzendenz und Gemeinsinn“, ist der Sammelband „Demokratie und Transzendenz“ entstanden. Er beruht auf den Beiträgen der 2012 von seinem SFB abgehaltenen Tagung „Die Transzendenz politischer Gründungsmomente“ und wurde um einzelne Studien von anderen, thematisch ähnlich gelagerten SFBs und Wissenschaftlern ergänzt.
Insgesamt 19 Beiträge von 15 Autoren (lediglich eine Frau gehört zum Kreis der Beiträger) sind unter den Kategorien:
– Konzeptionelle und systematische Perspektiven
– Begründungsdiskurse des 16. bis 21. Jahrhunderts
– Demokratische Ordnungen in Gründungs-, Krisen- und Umbruchzeiten
zusammengeführt sowie durch ein knappes Vorwort des Herausgebers eingerahmt.
In seinem Vorwort benennt er als generelle Fragestellungen, auf die die Beiträge antworten: „Demokratische Ordnungen sind fragil und voraussetzungsreich. Worauf beruhen ihre Gründung und ihr Bestand? Welche Ressourcen werden für ihre Konstituierung und Stabilisierung in Anspruch genommen?“. (9) Wie er selber einräumt, handelt es sich dabei um alte Fragen, im Grunde die Disziplin der modernen Politikwissenschaft fundierenden Fragen.
Das Forschungsfeld grenzt er im titelgebenden Beitrag „Demokratie und Transzendenz“ mit einer Fokussierung auf „Politische Ordnungen zwischen Autonomiebehauptung und Unverfügbarkeitspraktiken“ (11) weiter ein.
Diese oben genannten Fragen werden in Form von historischen Einzelfallstudien (Florenz, Polen) und systematischen Studien (Zivilreligion) von den Kollegen der alten Garde der Disziplin beantwortet. Zu nennen sind in diesem Falle u.a. Herfried Münkler („Die Tugend, der Markt, das Fest und der Krieg“), Georg Kohler („Basiskonsens und Willensnation“) und Enno Rudolph („Abschied von der normativen Transzendenz“). Alles Kollegen, die ihre jeweilige Disziplin verstehen, aber leider nicht viel Neues zu bieten haben. Auch die jüngeren Kollegen, die fast alle Mitarbeiter am Lehrstuhl von Herrn Vorländer sind, bewegen sich in den klassischen Grenzen des aktuellen Diskurs der Disziplin. Wieder einmal werden Rousseau, Machiavelli, Hobbes und John Rawls bemüht, auf Carl Schmitts Verfassungsrecht zurückgegriffen und Max Weber als Autorität in Bezug auf Definitionen bemüht. Dem entsprechend sind die Zugänge überwiegend historisch und politik-theoretisch geprägt. Staatswissenschaftliche und soziologische Ansätze stehen etwas im Schatten dessen.
Zwei Beiträge, die eine spezielle Würdigung verdienen, sind die des italienischen Professors Pier Paolo Portinarion („Macht und Autorität“) sowie der von Jürgen Gebhardt („Das religiös-kulturelle Dispositiv der modernen Politik“). Sie bieten für ihren jeweiligen Forschungsbereich eine sehr gute Bestandsaufnahme, die sich als Grundlage für eine weiterführende Forschung anbieten.
Dem Band fehlt es insgesamt aber an innovativen Ansätzen. Dies ist sicherlich kein spezifisches Problem des hier vorliegenden Sammelbands sondern ein generelles Symptom des desolaten Zustands jener Disziplin (Politikwissenschaft) im generellen. Die Forschungslandschaft – gerade die der politischen Theorie – ist in Deutschland momentan weitgehend mit wiederkäuen beschäftigt….
Maurice Schuhmann
Hans Vorländer (Hrsg.): Demokratie und Transzendenz. Die Begründung politischer Ordnungen, transcript Bielefeld 2013, 534 S., ISBN 978-3-8376-2278-2, Preis: 39,80 Euro.