penlogoLieber Géza Szöcs, lieber István Turczi, liebe Elizabeth Csicsery-Ronay,


ich danke Ihnen für die Einladung, zur 90-Jahr-Feier des ungarischen PEN-Zentrums nach Budapest zu kommen. Leider können wir dieser Einladung nicht folgen, weil uns das derzeitige Verhalten des ungarischen PEN-Zentrums befremdet.


Wir beobachten die ungarische Schwesterorganisation seit einigen Jahren mit großer Sorge und werden den Eindruck nicht los, dass das ungarische PEN-Zentrum den mit der PEN-Charta eingegangenen Verpflichtungen, nämlich „mit äußerster Kraft für die Bekämpfung von Rassen-, Klassen- und Völkerhass und für das Ideal einer einigen Welt und einer in Frieden lebenden Menschheit zu wirken“, nicht in dem Maße nachkommt, wie wir es uns wünschen. Gerade in diesen Tagen wäre eine Stellungnahme des ungarischen PEN-Zentrums zur Flüchtlingspolitik der ungarischen Regierung dringend geboten gewesen, aber sie erfolgte nicht.


Wir haben auch Zweifel, ob das ungarische PEN-Zentrum sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt. Wenn Regierungschef Viktor Orbán sich, wie es vor kurzem geschehen ist, über Menschen lustig macht, bei denen man nicht entscheiden könne, „wer ein Mann und wer eine Frau ist“, müsste eigentlich ein Aufschrei des ungarischen PEN-Zentrums folgen, da doch gerade diese Form von Diskriminierung in den Beschlüssen der letzten Jahrestagungen des Internationalen PEN besondere Beachtung fand. Schon beim PEN-Kongress 2013 in Reykjavik haben wir eine Auseinandersetzung darüber geführt, ob sich das ungarische PEN-Zentrum zu den Entwicklungen des Landes nicht wesentlich kritischer zu Wort melden sollte. Von einem PEN-Zentrum darf man erwarten, dass es zur eigenen Regierung in kritischbeobachtender Distanz steht. Bei den meisten PEN-Zentren ist dies auch der Fall. Aber nicht beim ungarischen PEN-Zentrum. Es ist uns bis jetzt offenbar nicht gelungen ist, Sie davon zu überzeugen, dass ein PEN-Präsident nicht gleichzeitig Berater des Regierungschefs sein sollte.


Wir gratulieren dem ungarischen PEN-Zentrum zum 90-jährigen Bestehen. Wir bitten Sie aber um Verständnis, dass wir keinen Anlass sehen, Ihr gegenwärtiges Verhalten, das manchen unserer Bemühungen – siehe Flüchtlingsresolution 2015 – geradezu entgegen steht, mit Ihnen zu feiern.


Mit besten Grüßen
Prof. Dr. Josef Haslinger
Präsident

Foto: Ubud Writers Festival, CCAL 2.0, Quelle Wikipedia