Robespierre

Die Romantik, das Blut und das Leid
Das Problem ist die verdammte Romantik. Sie ist zum Kotzen gutherzig blind, sie ist zum Kotzen dummdreist egoistisch, sie schert sich einen Dreck um Tod und Leben, Freiheit und Gerechtigkeit. Ist ist idealistisch. Sie ist IMMER idealistisch. Das ist ihre ganze Philosophie. Sie will nur eins: träumen. Sie lebt aus sich selbst heraus, sie schafft sich ihre eigene Logik. Sie ist ein Dreck. Sie intoniert „Hoch – die – internationale – Solidarität“ und meint: „Hoch das eigene Wohlgefühl“. Sie lässt sich anheuern für jeden Lumpen, Hauptsache die Romantik kann ihn sich selbst als antiimperialistischen Helden verkaufen, als Freiheitshelden, als Wahrer von Demokratie und Rechtstaatlichkeit – zur Not als einen traurigen Helden, Held bleibt Held.
Die Romantik hält die Hamas für ein akzeptable Organisation. Die Romantik hält die Hisbollah für eine akzeptable Organisation. Die Romantik hält die israelische Regierung für eine akzeptable Regierung. Die Romantik findet Entschuldigungen für China und Nordkorea, für die USA, für jeden und alles. Die Romantik hat einen Sack voll Talmiargumente. Egal, was Du einwenden magst: Die Romantik hat ein idealistisches Gegenargument. Und auf dem Argument steht immer: Geprüfte materialistische Qualität. Dabei ist es weder von Marx, noch von Luxemburg, es ist nicht von Olaf Palme und nicht von Ghandi, höchstens von Stalin geschweißt und von Franco poliert, diesen romantischen Massenmördern.
Die Romantik sagt dauernd: Die Verhältnisse und will von Verhältnissen nichts wissen. Die Romantik kennt nur die Wirklichkeit ihrer Halluzination. Die Romantik singt Arbeiterlieder oder Volksweisen und sitzt ums geistige Lagerfeuer.
Die Wirklichkeit scheißt was auf die Romantik. Die Wirklichkeit ist Verfolgung, Leid, Angst, Schmerz und der Wunsch frei zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, ein Bett und etwas zu essen. Die Wirklichkeit ist der Wunsch, nicht in Sweatshops zu verbrennen und nicht in Diamantenminen zu verrecken. Die Wirklichkeit ist, nicht vor Amtstresen um ein bißchen Geld fürs Leben betteln zu müssen. Die Wirklichkeit starrt in Gewehrmündungen und spürt die Einschläge von Raketen. Die Wirklichkeit sind verbrannte Kinderleiber und hungernde Familien. Die Wirklichkeit bräuchte Solidarität. Die Wirklichkeit hat keinen Bock auf Kriege, Leid und Unterdrückung. Die Wirklichkeit scheißt was aufs revolutionäre Warten. Die Wirklichkeit entscheidet sich immer wieder falsch. Die Wirklichkeit ist Mörder, Vergewaltiger und Despot. Und die Wirklichkeit ist ermordet, unterdrückt, gefoltert. Die Wirklichkeit lässt nicht zu, dass Du die Mörder, Vergewaltiger und Despoten mit romantischen Attributen behängst, wie mit dem Vaterländischen Verdienstorden oder dem Bundesverdienstkreuz und dadurch aus der Wirklichkeit nimmst. Die Wirklichkeit erlaubt Dir Deine Trugbilder. Die Wirklichkeit erlaubt Dir falsche Helden und falsche Solidarität. Die Wirklichkeit erlaubt alles. Aber sie lässt nicht los. Wenn Du aufhörst, das Trugbild zu sehen, siehst Du alle Akteure dort, wo sie wirklich sind: In der mörderischen, despotischen, gnadenlosen Wirklichkeit. Und Dein Held von gestern ist Dein Mörder von heute.
In Israel und in Gaza herrschen keine Helden. In Israel und Gaza herrschen Rassisten, Antisemiten und Gewalttäter. Aber je nach Gusto sind die einen oder anderen Helden für die Romantiker. Eine Entschuldigung ist immer zu finden. Aber jedes Moment von Solidarität, jedes Schweigen, jeder unterdrückte Aufschrei gegen die Raketen auf Tel Aviv und Gaza-Stadt, jedes gutmeinende Argument für die Gräueltaten, wer immer sie auch begeht, nährt die Tat. Das gilt nicht nur für den Nahen Osten. Das gilt immer und überall. Jedes Schweigen, jede boshafte Frage nach Beweisen, deren es doch so viele gibt, jedes Leugnen, jedes Schweigen über Verfolgung, ob in Phnom Penh, Kiew, St. Petersburg, Peking oder Austin – all das verlängert Despotie, Rassismus, Antisemitismus, Repression und Gewaltherrschaft.
Romantiker müssen mit Wahrheiten lügen. Sie können gar nicht anders. Sie müssen beschwichtigen und schönreden, sie müssen zugleich anklagen. Sie schlagen dem einen Tyrannen jovial auf die Schulter und zeigen mit dem Finger auf den anderen. Sie sagen. Der hier will gar kein Tyrann sein, aber es ist nötig – wegen der Revolution, wegen der Menschheit, wegen des Friedens, er muss die Freiheit unterdrücken, wegen der Freiheit. Es sei, sagt der Romantiker, nicht alles schön, was so getan wird, wegen Friede-Freude-Freiheit. Aber es ginge ja nun mal nicht anders. Wegen der Freiheit. Wegen des Imperialismus‘. Wegen Gott. Wegen der Börse. Wegen der Revolution.
Die Romantik lügt sich in die Tasche. Die Tasche ist groß. Die Romantik sagt: Ich liebe doch alle Menschen. Die Romantik sagt: Stalin konnte nicht anders, Pinochet konnte nicht anders, Obama ist ein guter Mann, Putin ist ein guter Mann.
Die Romantik ist zum Kotzen.

Foto: Robespierre