Unter Bäumen küssen wir uns, halten unsere Hände ins kalte Wasser des Sees. Gehen Hand in Hand. Erzählen uns, was wir sehen und sehen immer nur fast das Gleiche, doch immer das Selbe, bewahren uns davor, so sehr schon Eins zu sein, dass wir uns ganz in uns verlieren zu früh. Wie schön dieser Tag ist. Trinken Kaffee in einem kleinen Café. Essen schwere Torte. Und spazieren weiter. Langsam, immer alles was wir sehen mit Aufmerksamkeit in uns aufnehmend. Wie schön dieser Tag ist. Fahren mit der Fähre nach Alt-Kladow. Streunen durch den Ort, können die Dorfkirche nicht besichtigen, latschen zum Kossätenhaus. Kehren wieder ein irgendwo, auf einen Kaffee. Und dann mit der Fähre zurück. Da ist es später Nachmittag schon und es sind tausende Worte gewechselt, tausende neue Informationen aufgenommen über den anderen, tausend neue Verbindungen geschaffen, Kabel gezogen. Mit jedem Wort enger, enger, enger. Mit jedem Wort mehr Liebe. Mit jedem Wort mehr Fragen. Wie schön ist dieser Tag. Wie schön ist dieser Tag. Der erste Tag, den ich mit dem, den ich liebe über ein Stück Welt gehe, über Sand und bunte Blattleichen, der erste Tag, an dem ich mit ihm übers Wasser fahre und Torte esse und Kaffee trinke im Café. Der erste Tag in meinem Leben. Der erste Tag in diesem neuen Leben.
Auf der Rückfahrt zum Fischmarkt. Der heißt nur so, der ist natürlich nicht, wie der in Hamburg, von dem mir Lutz erzählt hat. Zwei Forellen kauft Jonas. „Keinen Wal“, frage ich und lache. „Nee, nee …“ Da weiß er gar nicht mehr, dass er Ahab ist. Det muss ick ihm sarjen! Det is wichtich!. Also flüstere ich in sein Ohr: „Du bist gar nicht Jona, Du bist Ahab. Du musst die Stadt fangen, denn die Stadt ist ein weißer Wal“. „Du bist verrückt“, antwortet er. Aber ich bestehe auf meiner Meinung, ziehe eine Flunsch und stampfe mit dem Fuß auf. Wir lachen. Aber für einem Moment ist mein Lachen künstlich, für einen Moment ist da etwas in dem, was ich gesagt habe, dass ist mir fremd, das ist ganz dunkel, das wabert mir durch die Sinne, das macht mir Angst.
Im Auto habe ich die Angst schon wieder ganz vergessen, erst jetzt, wo ich das hier schreibe fällt sie mir wieder ein. Jetzt, da mir Sukov über die Schulter schaut und mir über den Rücken streicht, da weiß ich wieder um sie.
Zu Hause trage ich den Fisch in die Wohnung, während Jonas nochmal losstiefelt und Kartoffeln holt, Sahne auch und Meerrettich, Weißwein und Tabak. Während einkauft, räume ich die Küche auf, wasche ab, räume Zeug vom Tisch und krame nach einer Tischdecke. Ich weiß, ich habe eine weiße irgendwo. Aber erst ganz unten im Kleiderschrank taucht sie auf.
Jonas übergießt die Forellen mit einem Gemisch aus Weißwein (wenig nur) und Essig, von dem mehr als vom Wein, Setzt Wasser im großen Topf auf, tut Lorbeerblätter hinzu, und noch einen Schuss Essig. Setzt die Kartoffeln, die er akkribisch genau schält, auf. Wartet, bis sie fast gar sind, dreht die Flamme unter dem Sud auf, legt in simmernde Wasser die Forellen, holt sie nach wenigen Minuten wieder heraus. Ganz blau sind sie nun. „Forelle blau, die Dame“, sagt er. Er hat Sahne geschlagen und Meerrettich untergerührt. Und dann essen wir. Das schmeckt nicht wie bei meiner Großmutter. „Wo hast Du kochen gelernt?“, frage ich. „Das muss man einfach können. Gutes Essen ist wichtig. Es macht froh und glücklich.“ Und nach dem Essen, nach dem Tischabräumen und gemeinsamen Abwaschen: Ins Bett.