Zum Tod des Generalmusikdirektors a.D. und schwedischen Hofkapellmeisters Prof. Siegfried Köhler

von Jutta Schubert

Im Alter von 94 Jahren ist in Wiesbaden der Generalmusikdirektor a.D. und schwedische Hofkapellmeister Prof. Siegfried Köhler gestorben. Als gefragter Richard Wagner- und Richard Strauss-Dirigent stand er am Pult der großen Opernhäuser im In- und Ausland. Siegfried Köhler war einer der klassischen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, der eine Bilderbuchlaufbahn und Karriere als Musiker vorzuweisen hat, die eng mit dem Jahrhundert verknüpft ist.

1923 in Freiburg im Breisgau in eine Musikerfamilie hineingeboren, absolvierte er eine Ausbildung als Harfenist und dirigierte erstmals während seines Engagements als Orchestermusiker am Theater in Heilbronn. Damals sprang er für einen erkrankten Kollegen ein und nahm die Herausforderung an, die ihm zeitlebens Passion bleiben sollte.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde er zunächst Kapellmeister in Freiburg, dann folgten die Stationen Düsseldorf und Köln, bis er 1964 dem Ruf als Generalmusikdirektor nach Saarbrücken folgte. Danach wechselte er in gleicher Funktion ans Staatstheater Wiesbaden, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Wiesbaden wurde sein Lebensmittelpunkt.

Aus seinem „Unruhestand“ startete er eine beachtliche internationale Alterskarriere. Die Stockholmer Oper ernannte ihn zum schwedischen Hofkapellmeister und er begleitete ebenso die Eröffnungsjahre des neuen Opernhauses in Göteborg zu Beginn des neuen Jahrtausends.

Trotz zahlreicher Gastspiele in Europa und weltweit blieb Siegfried Köhler Zeit seines Lebens dem Theater treu, während viele seiner Kollegen in den Konzertbetrieb abwanderten. Er liebte die Oper, arbeitete in seiner langen Karriere mit beinahe allen großen Sängerinnen und Sängern seiner Zeit, förderte, wo er konnte, den Nachwuchs, kümmerte sich auch um das Werk junger Komponisten und neuer Musik. Allen voran Volker David Kirchner, dessen Opern er in Wiesbaden zur Uraufführung brachte.

Siegfried Köhler beherrschte das komplette Repertoire von der Barockmusik bis ins 20. Jahrhundert. Er blieb immer neugierig und seine Beschäftigung mit musikalischen Werken hörte bis ins hohe Alter nicht auf. Es gibt nur wenige Opern, die er nicht dirigiert hat. Aufgrund seiner unschätzbaren Erfahrung wurde er auch ein gefragter „Einspringer“, der oftmals aus Notsituationen grandiose Theatererlebnisse zaubern konnte.

Er sah sich ebenso als Mittler und Brückenbauer zwischen Orchester, Chor und Ensemble, wie zwischen Intendanz und Publikum. Immer erhob er seine durchaus auch mahnende Stimme, um sich in den Dienst der Musik und des Theaters zu stellen. In Kollegenkreisen war er beliebt, bekannt für sein weitreichendes musikalisches Wissen und seinen Humor. Er war gerne der „Chef“ und nahm diese Aufgabe mit Feuereifer wahr. Stets füllte er den Platz, an den er gestellt war aus, menschenfreundlich, bescheiden und der Kunst verpflichtet.

Im Jahr 2003 erschien seine vielbeachtete Biografie „Alles Capriolen“, die in einschlägigen Bibliotheken als Nachschlagewerk und Augenzeugenbericht eines ganzen Jahrhunderts im Musiktheater gelesen wird. In seiner wenigen Freizeit, ein Wort, das er eigentlich nicht kannte, komponierte er zeitlebens und bis ins hohe Alter. So entstand ein Werk der leichten Muse, die seine heimliche Leidenschaft war. Von Klavierstücken und Liedern bis zu abendfüllenden Musicals – ein Werk, das es noch zu entdecken gilt. Ein Dirigentenleben, wie Siegfried Köhler es führte, ist heute kaum noch denkbar. Seine Stimme wird fehlen, sein Rat, auch als gefragter Juror, ebenfalls. Verheiratet war Siegfried Köhler sein ganzes Leben lang mit der Sängerin Rosemarie Lenz, deren Tod im Jahr 2016 er nur um zehn Monate überlebte