Climate Engineering – kritisch beleuchtet

Vor dem Hintergrund der menschengemachten Klimakrise erscheint das Konzept des Climate Engineering, d.h. grob gesagt: dem Eingriff durch technische Mittel in geochemische und biogeochemische Kreisläufe mit dem Ziel, CO2-Konzentration aus der Atmosphäre zu binden, vielen Menschen als eine mögliche, bequeme und technik-basierte Herangehensweise, die schnelle Erfolge und wenige Einschnitte in unsere Lebensweise verspricht. Die studierte Physikerin und Philosophin Annette Schlemm hat in dem sehr lesenswerten Band „Climate Engineering“ sich dieser Thematik angenommen und kritisch beleuchtet – sowohl von der technischen Position in Bezug auf die Potentiale und Risiken als auch bezüglich der gesellschaftlichen Auswirkungen dieser. Eingangs schreibt sie reflektierend über ihre Analyse: „Ich bin mit einer harschen kritischen Einstellung gegenüber dem Climate Engineering in den Prozess hineingegangen und viel grüblerischer herausgekommen“ (S. 9). Ähnlich geht es mir als Leser – und das ergibt sich sicherlich auch schon aus der Komplexität des Themas. Weder können wir uns – mE. nach – eine absolute Verdammnis leisten, noch einzig darauf bauen und unseren Lebensstil einfach weiterzuführen.

The German author and philospher Annette Schlemm

Die Autorin und Philosphin Annette Schlemm

Wenn man mit diesem gesellschaftlichen Horizont auf das Climate Engineering schaut, wird dessen Begrenztheit in bloßer Technokratie ofensichtlich“ (S. 12) stellt sie bereits einleitend fest. Es ist eine wichtige Grundlage – gerade, wenn man bedenkt, dass bereits im ersten Club of Rome-Bericht („Grenzen des Wachstums“) aus dem Jahr 1972 davor gewarnt wurde, rein technische Lösungen zu suchen. Gleichzeitig ist und wird noch verstärkt ein wichtiges Thema für die Klimabewegung werden. Selber äußert sie die Befürchtung: „Ich sehe die Gefahr, dass wir mittlerweile so sehr mit dem Rücken zur Wand stehen, dass uns kaum etwas Anderes übrig zu bleiben scheint.“ (S. 15). Im Anschluss an diese Einleitung geht sie sehr methodologisch vor. Sie beginnt mit der „Neueren Geschichte des Plan B“, vermittelt Grundwissen sowohl über die sog. Klimaklempner als auch über deren Kritiker*innen, um sich dann ausführlich gängigen Ansätzen wie dem SAI, CDR oder dem DAC-Ansatz zu widmen. „Die Technologien des Climate Engineering haben gegenüber z.B. der Kernenergie die Besonderheit, dass sie sehr vielfältig sind und nicht über einen Kamm geschoren werden können.“ (S. 33). Das spiegelt sich auch in ihrer Darstellung der unterschiedlichen Ansätze.

Selbst für einen Physik-Muffel wie mich ist das, was sie schreibt, gut verständlich. Sie erklärt vereinfacht deren Ansätze, die damit verknüpften Hoffnungen sowie auch die damit verbundenen Gefahren und Unsicherheiten. Gerade bei der Komplexität des Ökosystems ist ein Eingriff – gerade in dem globalen Maße –, wie es mit diesen Techniken erfolgt / erfolgen würde, ist der Einsatz wichtig zu reflektieren. Es bringt nichts ein Problem zu bekämpfen – nur um ein neues ökologisches Problem zu schaffen.

So schreibt sie ebenfalls eingangs in dem Kapitel „Potentiale“, welches allerdings etwas kurz im Vergleich zu den anderen. Dafür benennt sie im darauffolgenden Kapitel (ab S. 166) auch noch Kriterien, die ihr weiteres Vorgehen transparent machen. Ein weiteres Kapitel legt ethische Kriterien zur Bewertung dessen offen (vgl. S. 218f.). Zum besseren Verständnis werden die unterschiedlichen Facetten noch einmal tabellarisch aufgelistet, um einen Vergleich zu vereinfachen (vgl. S. 221). Ebenfalls sehr kurz und knapp fällt dann das Kapitel zu Alternativen zu den besprochenen technischen Herangehensweisen aus. Zentral erscheint dabei aber die Erkenntnis: „Dem jetzt Herrschenden die Stirn zu bieten, verlangt Konzepte für ein neues gesellschaftliches Naturverhältnis.“ (S. 235).

Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, vor denen wir wegen des menschengemachten Klimawandels stehen, ist dieses Buch wichtig. Es klärt auf, zeigt Grenzen technischer Lösungen auf und bietet damit auch Aktivist*innen eine gute Handreichung, zu jenem Themenfeld. Vor diesem Hintergrund kann ich dies Buch jedem/r empfehlen, der / die sich kritisch mit dem Thema beschäftigen möchte.

Maurice Schuhmann

Annette Schlemm: Climate Engineering. Wie wir uns technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren, Mandelbaum Verlag Wien / Berlin 2023, 322 S., ISBN: 978-3991365075, Preis: 20 €.