Querelle de Brest

Mitte der 1940er Jahre verfasste Jean Genet seine Geschichte von dem Mörder und Matrosen und Georges Querelle, die später – im Jahr 1982 – von Rainer Werner Fassbinder verfilmt wurde. Es ist eine für Jean Genet so typische Mischung aus einer unstillbaren Faszination für Mord, einer Auseinandersetzung mit Macht und Verrat sowie der unverhohlenen Darstellung von homosexuellem Sex, die er aber in diesem 1947 verfassten Werk perfektioniert – und die sich seit seinem Romandebüt „Notre-Dame-des-Fleures“ bei ihm zeigt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Georges Querelle, ein schöner, junger Matrose, der im Hafen von Brest in der Bretagne landet. Er ist nicht nur ein homosexueller Mann, sondern auch ein Mörder, Dieb und Manipulator – und trägt damit auch autobiographische Züge von Genet. Querelle bewegt sich in einer düsteren, gewaltgeladenen Welt von Kriminellen, Seeleuten, Zuhältern und Polizisten. Er beginnt eine Beziehung mit dem Schmuggler Nono, nachdem er dessen Bruder getötet hat – was er allerdings geschickt vertuscht. Dieser entjungfert ihn nach einem verlorenen Spiel auch, womit die Hinwendung Querelles zur Homosexualität gekennzeichnet ist. Er wird im Laufe des Romans nicht nur von einer Reihe weiterer Männern begehrt, sondern auch als passiver Part genutzt, wobei Genet damit auch immer wieder den Aspekt der Macht und des Machtgefälles fokussiert. Die Darstellung des Sexualverkehrs erfolgt dabei provokant ausführlich und detailliert – vielleicht noch expliziter – fast schon pornographisch – als man es aus anderen skandalträchtigen Romanen von ihm wie z.B. „Das Totenfest“ kennt.

Der Roman gilt als ein Klassiker der modernen queeren Literatur. Er hat auch heute durch seine drastische Darstellung der Lebenswelt von Querelle sowie seiner Umdeutung der bürgerlichen Moral nichts von seiner ursprünglichen Sprengkraft eingebüsst. Genet macht dem alle Ehre, was der französische Soziologe Georges Bataille unter dem Schlagwort „Die Literatur und das Böse“ fasste.

Mit der Veröffentlichung von dem Roman Querelle, der bereits 1955 vom Rowohlt Verlag erstmalig in deutscher Sprache herausgegeben wurde, endet die Herausgabe von Jean Genets ausgewählten Werken („Werke in Einzelbänden“) in zehn Bänden beim Merlin Verlag. Seit 1998 hatte dieser kleine, aber feine Verlag allen Widrigkeiten zum Trotz die Werke des Enfants terribles der französischen Literatur herausgegeben – und zwei Jahre vor dessen 40. Todestages abgeschlossen. Es ist ein guter Anlass, das Werk vom „Saint Genet“ (Jean-Paul Sartre) zu entdecken bzw. wieder zu entdecken. Es lohnt sich sowohl auf Grund seines so eigenen Sprachstils als auch in der Radikalität seiner Sichtweise.

Maurice Schuhmann

Jean Genet: Werke in Einzelbänden, Band IV: Querelle de Brest. Mit einem Nachwort von Ina Hartwig und einer editorischen Notiz von Friedrich Flemming, Merlin Verlag Gifkendorf 202, 394 S., ISBN: 978-3-87536-349-4f, Preis: 32 €.

Mehr Informationen zur Ausgabe: http://www.merlin-verlag.de