Wann ich zum ersten Male Heinrich Böll las, weiß ich nicht mehr. Vielleicht mit zwölf oder dreizehn Jahren. Vielleicht auch erst mit Vierzehn. Aber was ich damals las, das weiß ich noch. Ich las das Irische Tagebuch. Und es wurde durch das Buch weniger das Interesse für den Schriftsteller, als für Irland geweckt. Ein Land in dem ich mich stehts heimatlich gefühlt habe, auch wenn ich nur Urlaubsgast dort war. Für den Schriftsteller Böll interessierte ich mich erst viel später. Und es war nicht „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, sondern „Wanderer kommst Du nach Spa“ und gleich darauf die „Ansichten eines Clowns“. Wie zuvor schon Wolfgang Borchert vermochte es Böll mich ganz und gar mitzunehmen in eine Welt, die sich ja vor meiner Haustür befand, oder jedenfalls noch in die damalige Gegenwart hineinwirkte, und doch in der Narration, in der Fokussierung und der literarischen Überhöhung intensiver, wirklicher, bedrückender auch, wirkte. Böll und Grass waren die großen beiden Autoren meiner Jugend. Komplettiert durch Koeppen und Walser, durch den, sozusagen neuen Stern, Handke, durch Max von der Grün und den Nachgelassenen: Seghers und Tucholsky, Kästner und Heine, später dann auch durch Charles Bukowski. Über allem aber schwebte, ich erwähne es wegen des Blicks auf Literatur, der sich daraus ergibt, Borchert. Böll war mir dabei immer der, der für jene schrieb, die in seinen Romanen aufschienen. Die vermeintlich einfache Sprache, die zu wählen ein Wagnis und die zu beherrschen eine schweres Geschäft ist; die literarische Welt, die immer auch kleinbürgerlich war, bedrohlich, vom Erzähler humanistisch dargelegt und doch ausweglos, brutal, bös‘. Und dazu das Engagement Bölls, der über sein literarisches Wirken hinaus ja eine öffentliche Person war. Auf ganz andere Art als Grass, der der Politik Ratschläge gab, ging Böll daran, sein humanistisches Werk mit humanistischem Tun zu verbinden. Als Vorsitzender der Verbandes deutscher Schriftsteller etwas, als engagierter Streiter für Menschenrechte und Demokratie. Auf Demonstrationen und Blockaden, als Beobachter und Berichterstatter. Das hat mich, der ich ja auch immer ein Aktivist war eng mit ihm verbunden, enger als die schriftstellerische Arbeit. Böll droht, trotz aller Preise, trotz aller Werke ein gelindes Vergessen. Es liegt an uns, es zu verhindern. In den Theatern, auf den Lesebühnen, in den Verlagen, die die Rechte haben. Wie nur wenige andere ist Böll, künstlerisch gewichtig, sprachgewaltig, ein Berichterstatter aus einem grauen Deutschland und von bleiernen Jahren. Wir müssen ihn uns bewahren, in dieser wiederum grauen, bleiernen Zeit.

Foto: Marcel Antonisse / Anefo, CC SA 3 Unportet