Schweigen heißt Lügen
Im Januar 2010 – kurz vor dem Erscheinen seiner Autobiographie in deutscher Sprache – ist der amerikanische Historiker Howard Zinn verstorben. Sein Werk „Geschichte des amerikanischen Volkes“, das 1980 erstmalig erschien, ist sicherlich eines der wichtigesten geschichtswissenschaftlichen Studien der USA – aus einem linken Fokus heraus. Das Buch gilt als ein gutes Beispiel für „Geschichte von unten“. Howard Zinn war keiner der blutleeren Professoren ohne Bezug zur Realtität – er selber stammte aus der amerikanischen Unterschicht und nahm an den sozialen Bewegungen seiner Zeit statt. Er erhob seine Stimme und machte seinen, mit seinem Job einhergehenden Einfluß geltend, um gegen Ungerechtigkeit und Krieg vorzugehen.
Aufgewachsen in Brooklyn, meldete er sich als GI und nahm am II. Weltkrieg als Bomberpilot teil. Aus dem einstigen GI wurde später ein überzeugter Antimilitarist, der dennoch erklärte: „Gewaltlosigkeit und Pazifismus galten als märchenhaft, als sanft, töricht, romantisch, unrealistisch. Dennoch bereitete mir in den siebziger und achtziger Jahren keine Frage meiner Studenten mehr Probleme als diese: ‚Okay, Krieg ist schlecht, doch was würden Sie gen den Faschismus tun?‘ Um ehrlich zu sein, konnte ich nicht so tun, als wüsste ich darauf eine klare Antwort, doch ich mir sicher, dass die Antwort nicht das Gemetzel des Krieges sein konnte.“ (S. 139). In solchen Passagen reflektiert er somit auch die eigenen Zweifel, die wohl jeder Aktivist kennt. Es macht ihn menschlich und verdeutlicht die Situation, in der sich auch viele andere Aktivisten befinden.
Das GI-Stipendium nutzend studierte Zinn Politikwissenschaft (oder Geschichte) in New York City – es ist nicht genau bekannt – und promovierte an der Colombia University. Im Anschluss daran lehrte er am Spelman College, einer Hochschule für farbige Frauen, wo er auch intensiv an dem Kampf gegen die Segretation teil hatte und zum Mentor vieler Aktivistinnen wurde. Seine Autobiographie ist daher eng verbunden mit der Geschichte des SNCC und anderer afroamerikanischer Befreiungsbewegungen.
Ebenso wie auch sein Kollege Noam Chomsky, mit dem er häufig in einem Atemzug genannt wird, nahm er aktiv am Kampf gegen den Vietnamkrieg teil und wendete sich auch gegen den Irakkrieg.
Seine Autobiographie beschreibt seinen Werdegang und die Kämpfe, die darin eine Rolle spielten. Bezüglich seiner Lebensgeschichte lässt sich aber auch feststellen, daß seine Biographie auch ein Porträt einer Epoche amerikanischer Geschichte ist – einer Geschichte von sozialen Bewegungen.
Für ein deutsches Publikum ist dieses Buch streckenweise nicht nur wegen des leicht konfusen Stil, sondern auch wegen der fehlenden Anmerkungen. An manchen Stellen wäre es für ein deutsches Publikum sinnvoll gewesen, wenn einzelne Begriffe oder Ereignisse in Fußnoten erläutert werden. Dennoch ist dieses Buch lesenswert – es macht Mut zum Weiterkämpfen. Im Nachwort schrieb er: „Ich bin ein Träumer. Ich will alles. Eine friedliche Welt. Eine egalitäre Welt. Keinen Krieg. Keinen Kapitalismus. Ich will eine anständige Gesellschaft.“ (S. 281) Hierfür hat er sein Leben lang gekämpft und trotz aller Rückschläge daran festgehalten. Das macht Mut zum Weiterkämpfen – und zeigt, dass es auch anders geht – jenseits des Mainstreams.