Der Titel „Politischer Extremismus im Vergleich“ ist für viele Linke provokant. Unwillkürlich muss man an die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus denken, die in vielen Publikationen zu einem Äpfel-Birnen-Vergleich – hier auch noch dadurch gesteigert dadurch, dass hier, als dritte Form des Extremismus, der Islamismus mit in den Vergleich einbezogen wird. Manche Autor*innen treten auch in dieses Fettnäpfchen, während zumindest Armin Pfahl-Traughber in seinem Beitrag „Der Erkenntnisgewinn der vergleichenden Extremismusforschung“ die Vergleichbarkeit reflektiert – und Lazaros Miliopoulos, der dies in „innerfamiliären Defiziten“ (S. 107) in den Lebensläufen von Extremist*innen des Links- und Rechtsextremismus sowie des Islamismus eine Verbindung benennt. Abgesehen davon muss auch schon die Verwendung des Begriffes „Extremismus“, der begriffsgeschichtlich – jenseits der Verwendung durch den Verfassungsschutz und Polizeibehörden – fast ausschließlich als politischer Kampfbegriff zur Abwertung des politischen Gegners genutzt wird, Vorbehalte schüren.

 

Dabei geht es den Herausgeber*innen aber nicht nur um einen Vergleich jenen Extremismen sondern auch um ein „Plädoyer für den Antiextremismus“. Diese holprige Formulierung beruht auf dem Verständnis von wehrhafter Demokratie, wie es von der konservativen Seite her verstanden wird, und ist integriert in das Konzept der politischen Bildungsarbeit. Die wehrhafte Demokratie als eine Antwort auf das Scheitern junger Demokratie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt ja ohnehin in den letzten Jahren eine Renaissance. Das Verbotsverfahren gegen die NPD war ein Beispiel hierfür.

 

Das Themenfeld Extremismus wird von den Herausgeber*innen wie folgt umschrieben:

 

„Politische Extremismen vereint einerseits – ex negativo – das, was sie mehr oder weniger offen ablehnen bzw. abschaffen wollen: die Werte, Verfahrensregeln und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates. Allen politischen Extremismusformen gemein ist ihre antidemokratische; antikonstitutionelle Zielsetzung.“ (S. 10). Der in diesem Kontext ebenfalls wichtige Begriff des Radikalismus fällt gar nicht – sieht man von dem ihm verwandten Begriff der Radikalisierung ab.

 

Ausgehend von zwei, das Thema einordnenden Beiträgen unter der Überschrift „Überblick politischer Extremismus“ unterteilt sich der Band in die drei Schwerpunkte mit insgesamt zwölf weitere Beiträgen:

 

  • Prävention
  • Radikalisierung (sic!)
  • Antisemitismus als extremismusübergreifendes Phänomenen

 

Unter den ca. 25 Beiträger*innen dieses Bandes finden sich ein paar bekannte Namen aus der Extremismusforschung wie z.B. Eckhard Jesse (Jahrbuch Extremismus und Demokratie) und Armin Pfahl-Traughber (Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung), auch ein paar Mitarbeiter*innen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wie Gilbert Siebertz, Tania Puschnerat und Michael Friederich sowie Holger Münch, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes. Daneben ist auch mit Jan Buschbom (Violence

Prevention Network) ein Praktiker der politischen Bildungsarbeit im Sammelband vertreten. Die politische Positionierung einzelner Akteure, die z.T. mit Kommentaren über Politiker*innen der Grünen oder der Linkspartei einhergehen, die nicht nur unter die Gürtellinie zielen, sondern auch am demokratischen Selbstverständnis der Beiträger*innen zweifeln lassen, verwundern etwas. Besonders der dritte Abschnitt fokussiert sehr stark auf einen linken Antisemitismus, der z.T. auch in Kreisen der Linkspartei verortet wird – während antisemitische Tendenzen innerhalb der CDU oder der FDP lediglich in einem Nebensatz erwähnt werden.

 

Symptomatisch für die z.T. arg konservative Haltung der Autor*innen mögen die folgenden, im konservativen Lager kolportierten Positionen ausreichen. Prof. Dr. Klaus Schroeder (FU Berlin / Forschungsverbund SED-Staat) schreibt:

 

„Nicht wenige, vor allem linke Sozialwissenschaftler lehnen den Extremismusbegriff grundsätzlich ab, bezweifeln, dass es überhaupt ‘Linksextremismus’ gibt. Anderer Wissenschaftler scheuen offenbar vor diesem Themenfeld zurück, weil Linksextremisten ihre politischen und wissenschaftlichen ‘Widersacher’ beschimpfen und mitunter auch bedrohen. Sie werden – zumeist ohne inhaltliche Begründung – schnell in die ‘rechte Ecke’ gestellt.“ (S. 264).

 

Auch PD Dr. Lazaros Milipoulos (Friedrich Wilhelms Universität Bonn) stößt in jenes Horn, wenn er argumentiert: „Ein weiterer Grund, dass die ‘Antifa’ in der Mitte der Gesellschaft anschlussfähig ist, wurzelt darin, dass zumindest in Teilen der ‘Antifa’ Gewaltakzeptanz reflektiert erfolgt als im Falle anderer extremistischer Szenen (Autonome ; Rechtsextreme, Islamisten)….“ (S. 115).

 

Die Liste ließe sich noch um Passagen aus anderen Beiträgen, in denen linke Pädagogikansätze für das Scheitern der Rechtsextremismusprävention verantwortlich gemacht werden.

 

Der Begriff des Extremismus wird im Sammelband bis zum Terrorismus gespannt. So sind auch Beiträge über den IS und auch über die RAF vertreten, ohne dass eine klare Trennlinie zwischen den Phänomenen des Extremismus und Terrorismus gezogen wird. Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt eindeutig auf Islamismus und Linksextremismus. Der Sammelband reproduziert und stellt weitgehend lediglich bekannte Positionen dar und präsentiert bekannte Analyseraster.

 

Unter Berücksichtigung dieser politisch-motivierten Positionierungen bietet der Tagungsband einige wichtige Beiträge für eine Auseinandersetzung mit dem Phänomenen Extremismus. Wichtige Beiträge für die generelle Debatte scheinen mir vor allem die Beiträge von Josephine B. Schmitt, Julian Ernst, Lean Frischlich und Diana Rieger über „Rechtsextreme und islamistische  Propaganda im Internet“ als auch von Prof. Dr. Samuel Salzborn (Universität Göttingen) über „Hass auf Israel: Zur Geschichte und Systematik des antiisraelischen Antisemitismus“ zu sein. Insgesamt hätte man hier aber mehr erwartet.

 

Dr. Maurice Schuhmann

 

Ralf Altenhof / Sarah Bunk / Melanie Piepenschneider (Hrsg.): Politischer Extremismus im Vergleich. Beiträge zur politischen Bildung, Lit Verlag Berlin 2017, ISBN: 978-3-643-13564-3, 408 S., Preis: 44,90 €.