"Machen wir uns nichts vor", sagte Laupmann und begann sofort damit. Er schob, der Dramatik halber, sein Tablett mit beiden Händen hin und her und hielt seinen Blick, Interesse heuchelnd, auf die Kohlroulade gesenkt, die in einer hässlichen, durchscheinend grauen Soße schwamm. Vielleicht blickte er auch auf die industriell geschälten Kartoffeln oder den Schokoladenpudding, dessen Haut pockennarbig aussah. "Spanierinnen sind schon was anderes". Ich antwortete nicht, obwohl ich wusste, dass keine Reaktion zu zeigen nichts ändern würde. Wenn Laupmann erzählte, erzählte er.
"Ich war seinerzeit", so fuhr Laupmann fort, während ich ihm Recht gab, denn ich bezweifelte, er hätte je eine Zeit gehabt, so wie ich zugleich bezweifelte, er würde je eine haben, "wie Sie vielleicht wissen in Spanien. Madrid um genau zu sein. Motorschaden. War damals noch ein junger Mann und für den Maschinenpark zuständig. Ja – da staunen Sie. Ich, der Materialverwalter. Aber seit ich es im Kreuz habe – man muss ja beweglich sein, nicht wahr. Also ich nach Madrid. Und da habe ich dann Maria getroffen."
Ich sah mich in der Kantine um. Die Schulze aus der Expedition hatte sich hübsch herausgemacht, seit der Scheidung. Sie trug ein rotes Sommerkleid. Das wäre vor Jahresfrist noch völlig unmöglich gewesen, für sie. Damals lief sie wie eine graue Maus herum. Mir gefiel sie. Allerdings war an Elfie aus Leipzig, Zonen-Elfie, wie wir sie nannten, mehr dran. Ich nahm mir fest vor, gelegentlich Blumen oder Konfekt auf ihren Schreibtisch zu platzieren. Natürlich durfte sie nicht gleich heraus bekommen, von wem die kleinen Aufmerksamkeiten stammten. Der Gedanke an Zonen-Elfie hatte, eine glückliche Fügung, verhindert, dass ich Laupmanns Geschichte gefolgt war. "… und dann winkte sie mir noch am Flughafen hinterher, während mir die … , na Sie wissen schon, immer noch weh taten. Das war eine Nacht. Spanierinnen sind eben ganz anders, als unsere Frauen hier. Nicht so prübe und etepete." Wir standen zusammen auf. Im dritten Stock verließ Laupmann den Fahrstuhl, nicht ohne vorher mit Akkrebie die Krawatte zurecht zu rücken. Wir tauschten die üblichen Grußformeln aus. Bei mir, im fünften, kommt man ja direkt in das Großraumbüro. Ich durchquerte es eilig und verschand gleich auf der Toilette. Tür zu – Hose auf. Wegen Zonen-Elfie. Ich bin ein glücklicher Mensch. Man muß es sich immer wieder sagen: Ich bin ein glücklicher Mensch.
Leander Sukov ist Schriftsteller und Publizist. Er ist der Chefredakteur von "Kultur und Politik".
Sukov ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums und war dort von 2019 bis 2021 als Vizepräsident für "Writers in Exile" zuständig. Er gehörte von Mai bis Oktober 2022 dem Interimsvorstand als Schatzmeister an.
Als stellv. Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist für den Kontakt zu politischen Stellen und für "Worte gegen Rechts" zuständig. Er ist Netzaktivist seit es das Internet gibt und war davor im Bereich der DFÜ auf den sog. Brettern unterwegs. Anfang der Achtziger war er in der deutschen Datenverarbeitungsschule engagiert, deren Schirmherr Konrad Zuse war.
Sukov ist Mitglied der SPD. Er ist Mitglied von ver.di und im Bezirksvorstand Würzburg-Aschaffenburg des Fachbereiches 8.
Er ist Generalsekretär der Louise Aston Gesellschaft.
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