Das PEN-Zentrum Deutschland fordert die Leitung sowie die Studierenden der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf dazu auf, sich mit allem Nachdruck für den Erhalt des Gedichts „Avenidas“ des Lyrik-Preisträgers der Hochschule, Eugen Gomringer, an der Südfassade der Hochschule und damit für die Freiheit des dichterischen Wortes einzusetzen. Wir sind zutiefst beunruhigt über eine Entwicklung, die darauf abzielt, der Kunst einen Maulkorb vorzuspannen oder sie gar zu verbieten.

Die Studierenden, die sich für die Übermalung des ihrer Meinung nach anstößigen Gedichtes einsetzen, bitten wir zu überdenken, welche Konsequenzen eine solche Zensur letztlich hätte, und sich mit dem Phänomen der Bilderstürmerei in Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen. Die Leitung der Hochschule fordern wir auf, unberechtigten und auf Missverständnissen, gar Unverständnis beruhenden Forderungen nicht opportunistisch Folge zu leisten.

„Wirklich skandalös an diesem barbarischen Schwachsinn eines AStA ist: Die Alice-Salomon-Hochschule Berlin ist eine Fachhochschule mit den Schwerpunkten Erziehung und Bildung, d.h. diese Kulturstürmer werden einst den Nachwuchs ausbilden“, so der Ehrenpräsident des deutschen PEN, Christoph Hein. „Uwe Bettig, der Rektor der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, hält das Gedicht und die Anbringung auf der Fassade zwar für ein gelungenes Kunstwerk, will aber ‚die kritischen Stimmen der Studierenden ernst nehmen und diesen Rechnung tragen‘. Herr Bettig hat als Rektor einer Hochschule für Erziehung und Bildung einen gesellschaftlichen Auftrag: Er hat den Studierenden etwas von Erziehung und Bildung zu vermitteln und nicht deren unerzogene Unbildung zu respektieren. Er hat die Erzieher von morgen auszubilden und nicht deren Kultur- und Bildungsferne ernst zu nehmen und gar ihr zu folgen.“

Unsere Kollegin Nora Gomringer, Lyrikerin und PEN-Mitglied, hat zurecht in einem Beitrag auf Facebook darauf hingewiesen, dass auch der Bewunderer („un admirador“) im Gedicht ihres Vaters Teil der Aufzählung und nicht deren Beherrscher ist. Wir alle seien eingeladen, uns einen Reim darauf zu machen, schließlich bedürfe es nur des Wörtchens ‚und‘, um sich gedanklich aneinander anzuschließen.

Angesichts realer, brutaler sexistischer Gewalt weltweit hoffen wir, dass diese Provinzposse in Berlin-Hellersdorf alsbald ein Ende findet und an der Alice-Salomon-Hochschule Vernunft und Verstand und die Wertschätzung von Freiheit und Schönheit siegen.

Pressemitteilung des deutschen PEN-Zentrums