Diejenigen, die die Verantwortung für den Giftgasangriff in Syrien tragen, müssen, falls man ihrer habhaft werden kann und belastbare Beweise für ihre Schuld findet, angeklagt und verurteilt werden. Dafür sind internationale Gerichte zuständig und nicht das Militär. Den Giftgasangriff als Grund für einen Militärschlag zu nutzen, ist Kriegspropaganda, in der Logik des Völkerrechts liegt solches Procedere nicht. Seit dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien haben wir Lügen über Lügen gehört, und diese Unwahrheiten wurden genutzt, um das militärische Vorgehen mit den Menschenrechten zu tarnen.
Man hat uns den Hufeisenplan präsentiert und Saddams Massenvernichtungswaffen, man hat uns Berichte aus Libyen geliefert. Man hat die Taliban in Afghanistan gewähren lassen, weil sie Fleisch aus dem Fleisch der CIA waren – bis zum 11. September. Da haben sie gestört und uns hat man gesagt, es ginge darum Deutschland am Hindukusch zu verteidigen. Man hat die Warlords und Drogenbarone in Afghanistan aufgerüstet und uns hat man erzählt, sie würden den Kampf um die Demokratie führen.
Man hat den Irak in eine Situation gebombt, die ihn zerfallen ließ; und in einem verdeckten und manchmal offenen Bürgerkrieg verharrt die iranische Nation, die keine mehr ist seither.
Man hat aus Libyen, das man vorgeblich befreien wollte von einem brutalen Diktator, eine von blutrünstigen Kriegsherren beherrschte Staatsschimäre gemacht, über die selbst Wikipedia nichts anderes zu schreiben weiß, als das: „Viele Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International berichten, dass auch unter den neuen Behörden, die nach dem Bürgerkrieg in Libyen an die Macht gelangten, die Menschenrechte in Libyen stark eingeschränkt sind. Durch Folter sollen mindestens zwölf Gaddafi-Anhänger getötet worden sein.Menschen mit schwarzer Hautfarbe werden diskriminiert, da diese oft pauschal als Söldner Gaddafis angesehen werden. In der Stadt Sebha kommt es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber den Tubu. Es sollen bereits Dutzende Menschen gestorben sein. Auch die Organisation Open Doors erklärte, dass inzwischen in Libyen Christen verfolgt werden. Andere als islamische religiöse Versammlungen sind verboten. 2011 wurden mehrere Christen aufgrund ihres Glaubens inhaftiert Es kommt zu Übergriffen von Salafisten auf christliche Kopten. So wurden Anfang 2013 in Bengasi 100 Christen verschleppt und misshandelt.
Schätzungen zufolge sind landesweit mehr als 6.000 Menschen verhaftet, bisher ohne offizielle Anklage oder Aussicht auf einen Prozess .In den Internierungszentren der Stadt Misrata, die nicht dem Nationalen Übergangsrat, sondern der dortigen Revolutionsbrigade unterstehen, werden Gefangene gefoltert. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen stellte bei insgesamt 115 Gefangenen Verletzungen durch Folter fest. Die Folterverhöre, von denen einige tödlich verliefen, wurden vom militärischen Geheimdienst NASS geführt. Die Behörden vor Ort hatten die Forderungen der Hilfsorganisation nach einem Ende der Folter ignoriert. Nach Bekanntwerden des Foltertods des ehemaligen libyschen Botschafters in Frankreich in Sintan erklärte Justizminister Ali Hamida Aschur, die Verantwortlichen würden vor Gericht gestellt; die von Folter-Vorwürfen betroffenen Gefängnisse befänden sich überwiegend nicht unter der Kontrolle des Übergangsrates. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Libyen auf Platz 131 von 179 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit.”
Das ist das konkrete Ergebnis einer Intervention von außen, die zwar vorgeblich unter dem Deckmantel von Menschenrechten geführt wurde, die aber nie im Sinn hatte. Es ging darum Gaddafi zu entmachten und die von ihm vertretene Außenpolitik zu beenden. Um seine innenpolitischen Verfehlungen und Repressionsmaßnahmen ging es nie. Weder in den großen Tageszeitungen, noch in den Nachrichtenmagazinen, nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, noch im privaten, hat man über die soziale Lage in Libyen ein wahrheitsgemäßes Bild gezeichnet. Ein solches Bild hätte nicht dazu beigetragen, die Diktatur Gaddafis – der Teil des Problems war, wie Assad es ist, und nicht die Lösung – schön zu färben, wohl aber den Waffengang in Frage zu stellen. Die Wohnungsgarantie für frisch verheiratete Paare, die zinslosen oder verbilligten Kredite als Eheeinstandsdarlehen, die flächendeckende Schulbildung und Gesundheitsversorgung – sie wurden kaum erwähnt.
Jetzt, also nach der Ablösung Gaddafis, ist eingetreten, wovor viele Beobachter gewarnt haben. Die soziale Lage ist desolat, die demokratische Situation hat sich verschlechtert, die Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Es kommt zu rassistischen Pogromen, die Situation in Mali ist auch dem geschuldet. Die Frauenrechte sind aufgehoben, Clans regieren.
Saddam Husseins Tötungsbilanz ist auch für einen nahöstlichen Diktator hoch. Misst man die Zahl der Toten, die auf sein Konto gehen, an der Zahl derer, die direkt oder indirekt durch den Krieg der USA und ihrer Verbündeten, starben, so verliert sich jedes Verhältnis. Das schließt auch den durch Saddam zu verantwortenden verbrecherischen Giftgasangriff auf kurdische Siedlungen ein.
Während es aus dem zerfallenen Irak noch Berichterstattung, hin und wieder nachts auch kritische, gibt, findet eine Berichterstattung aus Libyen kaum statt. Man hat, nach dem erfolgreichen Waffengang, das Land ad Acta gelegt. Das Kriegsziel ist erreicht worden: Von Libyen geht keine außenpolitische Gefährdung mehr aus.
Ein Kriegszug gegen Syrien hätte absehbarer Weise ein ähnliches Ergebnis: Das Land würde für eine lange Zeit zerfallen, der Bürgerkrieg auf Jahrzehnte institutionalisiert. Es würde vermutlich eine somalische Situation entstehen. In Erinnerung mag einigen auch noch der jahrelange Bürgerkrieg im Libanon sein, mit dessen Neuauflage man sicher rechnen kann, wenn es nicht gelingt, den Konflikt in Syrien mit friedlichen Mitteln beizulegen.
Nicht nur meiner Meinung nach, ist Syrien aber nur das Feld, das gerodet werden muss, um freie Schußbahn auf den Iran zu haben. Man will die Region nicht nur destabilisieren, sondern dekonstruieren. Das hat natürlich mit Wirtschaftsinteressen zu tun, mit Zugängen zum Mittelmeer für die saudi-arabische Erdgasproduktion zum Beispiel. Aber auch bündnispolitische in der Region.
Um Menschenrechte jedenfalls geht es nicht. Auch nicht darum, den Bürgerkrieg zu beenden. Was erreicht werden soll, ist den Bürgerkrieg so herzurichten, dass sich kleine Warlords bekämpfen, die jedoch nicht in der Lage sind, politisch in der Region zu agieren.