Jene Verlage, die sich abseits von Chick-Lit, Gruselgeschichten, Science-Fiction, Krimis und verwandten Genres mit dem herumschlagen, was euphemistisch gehobene Literatur genannt wird, haben es schwer. Und zwar ganz unabhängig von ihrer Größe; kleine und mittlere Verlage allerdings mehr, weil ihnen der Zugang zu Marketinginstrumenten wie Buchpreisen und Feuilletons fehlen. Sie schaffen es nicht auf die Long- und Shortlists, deren Zusammensetzung unter eigentlichen allen Kriterien, welche mit Literatur zu tun haben, nebulös waren, sind und vermutlich bleiben werden. Sie schaffen es nicht in Fernsehsendungen, die sich, spät nachts, im Spartenprogramm noch um Gedrucktes kümmern, sie schaffen es nicht in die immer weniger werdenden Feuilletons der Tageszeitungen und
Wochenmagazine. Das hemmt den Verkauf. Allerdings nicht sehr. Eine mir bekannte, sehr renommierte und durchaus auch bei großen Häusern gut gelittene Kollegin hatte für eines ihrer letzten Bücher Rezensionen in FAZ, TAZ, Süddeutscher, ZEIT und SPIEGEL. Oft eine halbe Seite. Genutzt hat es nicht. Alles in allem haben ihr die Buchbesprechungen halb so viel gebracht wie mir die kurze knappe Rezension des „Ahabs“ durch Thor Kunkel in der Financial Times (Gott hab sie selig) – und das in der doppelten Länge der Zeit. Sie hat gut fünfhundert Bücher verkauft, in zwei Jahren. Trotz der Anstrengung einer ihr zu Recht gewogenen Presse.
Wer heute fünftausend Bücher verkauft – ich meine literarische Literatur, Sie verstehen schon. – gehört zum Spitzenpersonal. Der break-even point bei Verlagen dürfte annährend überall gleich sein und um ungefähr eintausend verkaufte Exemplare liegen. Das gilt auch für die ambitionierten Klein- und Mittelverlage. Allerdings ist ein Verkauf von tausend Büchern weit ab vom Üblichen. Das Gros der Bücher aus solchen Verlagshäusern liegt darunter.
Viele kleine und mittlere Verlage machen entweder permanent Verluste oder bewegen sich gerade eben an der Grenze zwischen schwarzen und roten Zahlen. Die Verleger gerieren dabei fraglos viel. Nicht nur, dass es die Texte, die sie auf den Markt bringen ohne sie als Druckwerk gar nicht geben würde – nein, die Produktion ist nur möglich, weil es engagierte Dritte gibt, welche die Verlage von außen alimentieren und so die Produktion erst möglich machen. Das ist übrigens keine neue Entwicklung. Schon im alten Rom war das so, wenn man den Berichten damals tätiger Verleger trauen darf.
Natürlich belastet es, für seine Autoren, d.h. für die Produktion ihrer Bücher, also für Druck, Lektorat, Korrektorat, Satz und ein bisschen Marketing, betteln gehen zu müssen. Aber als Scharnier zwischen Schriftsteller und Lesendem, bleibt Verlegern, die aus diesem literarischen Holz geschnitzt sind, nichts anderes übrig.
Da kommt es gar nicht gut, wenn sich der Verleger plötzlich solchen meiner Kollegen gegenüber sieht, die ihm nächstens mitteilen, er solle seine Freizeit nicht zur Entspannung nutzen, sondern, neben Geld und Arbeitszeit, nun obendrein die Mußestunden dem jüngsten Buch des Schriftstellers widmen. Es stößt, so habe ich mir sagen lassen, übel auf, wenn die, für welche man Schulden und manchen Kotau macht, einem auch noch von hinten in die Knie treten. Ich empfehle in solchen Fällen gerne, man solle ich doch besser trennen. Meine Empfehlung zielt jedoch nicht allein darauf, den Verleger vor mehr Pein zu bewahren. Nein, es geht daneben darum, über die vielen Stunden hinaus, die die Suche nach Fördermitteln und Mäzenen braucht nicht zusätzliche Zeit an Querulanten zu verschwenden. Die Stunden, die sie kosten, kann man besser für jene Autoren einsetzen, welche Verlage und ihre Vollhafter nicht als Leibeigene der Autorenschaft sehen. Ich habe also als Schriftsteller ein Interesse daran, in einem Verlag zu sein, der sich von denen befreit, die seine Arbeit stören.
Nicht die quengelige Nerverei wird erwartet, sondern die eigene Mitarbeit. Man kann nicht erwarten, dass die paar Hanseln die in einem solchen Verlag tätig sind, für die Verlagsautoren alle Lesungen organisieren, jeden Regionalreporter kontaktieren und auch noch die Geburtstage der örtlichen Honoratioren im Blick haben. Man muss selbst mittun und natürlich den Verlag darüber informieren. Überflüssig sind Schriftsteller, die sich für den Nabel der Welt halten, glauben, man hätte für sie nicht nur Schulden zu machen, Financiers aufzureißen und manche Nachtschicht einzulegen, sondern auch kniefällig dankbar dafür zu sein, all das tun zu dürfen. Allerdings haben jüngst veröffentliche Untersuchungen aus den USA gezeigt: Bei den künstlerischen Berufen liegt die Zahl von Geisteskranken unter Schriftstellern weit höher, als bei allen anderen schöpferischen Passionen. Insofern sind die notorischen Querulanten, die nervtötenden Egomanen und die hippeligen Manischen entschuldigt. Allerdings müssen sie nicht unbedingt in dem Verlag herumgeistern, in dem ich auch verlegt werde.