Zehn Jahre Denkmal für die verfolgten und ermordeten Homosexuellen
Der Bundespräsident war auch da. Und ganz ohne Frage ist das ein gutes Zeichen. Steinmeier, der sich anschickt – unter den gegebenen Umständen – ein guter Präsident zu werden, hat sich im Namen der bundesdeutschen Politik für die mangelhafte, ja, die lange nicht stattgefundene, Aufarbeitung der Morde und der Verfolgung entschuldigt. Die Bundesrepublik hat ja nach 1949 die Verfolgung der Homosexuellen fortgesetzt und sich stets geweigert für die Lagerhaft und ihre Folgen einzustehen.
Wie ich aus Gesprächen mit Stiftungsmitgliedern erfahren habe, hat man in der Vergangenheit mehrfach versucht Steinmeiers unrühmlichen Vorgänger Gauck zu einem offiziellen Besuch der Gedenkstätte zu bewegen. Erfolglos.
Steinmeiers Vorstoß nun ist ein Akt von erheblicher Tragweite. Denn die Geschichte der Bundesrepublik hat sich bei Frauen- und Minderheitenrechten lang Zeit mit dem Eiter der schlimmsten deutschen Geschichte besudelt. Es waren die, nun oft nach der Mode der Zeit herabgewürdigten 68ziger, die zu einer Wende geführt haben. Nicht nur, dass an Sinti und Roma, Homosexuelle, sogenannte Asoziale und in Konzentrationslagern gefangene „Berufsverbrecher“ keine Entschädigungen gezahlt wurden. Auch die Verfolgung in der Bundesrepublik, die Versagung elementarer Rechte und die gesetzgeberische Herabwürdigung zu Menschen zweiter Klasse fand ihre, gemilderte, aber deutlich spürbare, Sequel in der Bonner Republik. Frauen brauchten die Zustimmung ihres Mannes zur Kontoeröffnung, die Ehemänner konnten die Berufstätigkeit ihrer Frau per fristloser Kündigung verbieten, die Vergewaltigung in der Ehe war straffrei, Roma und Sinti wurden in sogenannten „Landfahrerkarteien“ erfasst, Homosexuelle nach dem Paragraph 175 verfolgt, der aus der nationalsozialistischen Rechtsprechung stammte. Sex zwischen unverheirateten Paaren war für Vermieter und Hoteliers ein Problem: Der Kuppeleiparagraph stellte die Vermietung von Räumen unter Strafe.
Wer heute in den kakophonischen Chor derer sich einreiht, die die Erfolge der 68ger in Abrede stellen, weil ein paar Großkopferte sich auf den Plätzen eingefunden haben, die sie selbst vor 50 Jahren abschaffen wollten, verkennt aus Dummheit oder Anbiederei an den Zeitgeist, was diese globale Bewegung ermöglicht hat.
Frank-Walter Steinmeier, der vor dem Denkmal in Berlin als Bundespräsident die Geschichte der Bundesrepublik in diesem Bereich durch die Anerkenntnis der doppelten historischen Schuld kritisierte, ist ein gutes Beispiel für die Wirkmacht der Bewegung, die von 1963 bis weit in die Siebziger Jahre hinein die Gesellschaft hier grundlegend veränderte.
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