Der Kampf ist verloren
Mir scheint der Kampf um die Partei DIE LINKE verloren zu sein. Der Angriffskrieg zur Landnahme, den die Russische Föderation, grundlos, ruchlos und kriegsverbrecherisch gegen die junge Demokratie der Ukraine führt, ist zum Lakmustest für die Partei DIE LINKE geworden.
Die Fraktionsvorstände der LINKEN in den Landesparlamenten und dem Bundestag haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. In ihr heißt es richtig „Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN verurteilt Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine auf das Schärfste. Absolut nichts rechtfertigt diesen verbrecherischen Akt. Die russische Invasion muss sofort beendet und die Truppen zurückgezogen werden.“
Und sogleich falsch: „Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine, die unvorstellbares Leid in diesen Tagen erfahren. Die schrecklichen Bilder in den vielen Gebieten des Landes zeigen uns: Krieg darf niemals ein legitimes Mittel der Politik sein. Es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben. Wir sprechen uns für gezielte Sanktionen gegen Putin, die ihn unterstützenden Oligarchen und die russische Militärindustrie aus.„ Denn diesen Sätzen fehlt die Einsicht, dass die Sanktionen gegen Russland nur dann wirkungsvoll sein werden, wenn sie umfassend sind. Und ihm fehlt, wie dem ganzen Text der Erklärung ein Bekenntnis zur demokratischen Freiheit in der Ukraine, zur dortigen guten demokratischen Entwicklung seit 2019.
In der Erklärung des Bundesvorstandes der Partei heißt es bei den Forderungen in Bezug auf den Aggressionskrieg: „Vereinbarung eines militärfreien Sicherheitskorridors an der ukrainisch-russischen Grenze sowie an der Grenze von Russland und NATO-Mitgliedsstaaten.“ Die einzige Grenze, die die NATO mit Russland hat, ist die der baltischen Staaten. Die baltischen Staaten durchlaufen von der Ostsee bis zur Grenze Russlands eine Strecke von weniger als 300 Kilometer. Letztlich würde jeder Sicherheitskorridor die Staaten ohne militärisches NATO-Personal und fast waffenlos vor der Grenze zu einem offenbar aggressiven Imperium stehen lassen.
[Nachtrag: Die Aussage zur Grenze mit Russland ist falsch. Auch Norwegen hat eine, mit der Berentssee zwei, Grenze/n mit Russland.]
Akteure gegen Erklärungen
Für die Partei DIE LINKE sind aber in der Außenwirkung nicht die Erklärungen von Parteivorstand und Fraktionsvorständen relevant, sondern die viel stärker wahrgenommenen Positionierungen von einzelnen Politiker:innen in den sozialen Medien und in Presseerklärungen, die durch die Pressestellen von Fraktion und Partei verbreitet werden.
So hat die friedenspolitische Obfrau der Bundestagsfraktion Sevim Dagdelen mehrfach jede Waffenlieferung an das Opfer der russischen Aggression, die Ukraine, abgelehnt. Auch der fränkische Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst hat sich zu Wort gemeldet. Er lehnt den Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen ab. Sahra Wagenknecht hat zwar den Einmarsch der russischen Armee verurteilt, aber noch am Tag vorher in Abrede gestellt, dass Putin überhaupt mit Aggression drohen könnte; da standen schon 147.000 russische Soldaten an der Grenze.
Und natürlich gab es in den Jahren nach 2014 immer wieder einen Reiseverkehr in die sogenannten Volksrepubliken. Der Abgeordnete André Hunko gehörte 2015 ebenso zu den Reisenden, wie der ehemalige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gehrke.
In großen Teilen, aber nicht in der Mehrheit, gibt es eine falsche Rangordnung den bürgerlichen Freiheitsrechten gegenüber. Einige Mitglieder stehen den Freiheitsrechten skeptisch gegenüber. Für sie sind bürgerliche Freiheiten weitgehend identisch mit Marktliberalismus. Das liegt sicher auch an der kaum stattfindenden politischen Bildung in der Partei.
Die bürgerlichen Freiheitsrechte gehören für mich zu den größten revolutionären Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Louise Aston, die zu den 100 Köpfen der Demokratie gehört – ich bin der Generalsekretär der nach ihr benannten Gesellschaft – hat in der bürgerlichen Revolution von 1848 aktiv gewirkt. Die Kämpfe, die letztlich verloren gegangene revolutionäre Auseinandersetzung um die Freiheit, wurden von den bürgerlichen Revolutionären gegen die monarchistischen Truppen mit großer Verve geführt. So wie jetzt die Soldaten:innen und Bürger:innen der Ukraine gegen die Truppen der putinschen Diktatur kämpfen. Es geht um die Freiheit. Es geht also um alles.
Leider ist es nicht so, dass in der gesellschaftlichen Linken und damit auch nicht in der Partei DIE LINKE der Gedanke, dass die Sklaverei der Not, also Armut, Hunger und Ausbeutung, nicht dadurch abgeschaft werden können, dass man an ihre Stelle die Not der Sklaverei setzt, also politische Gängelung, den Gedanken einer führenden Partei der Arbeiterklasse usw. Diese, durch den Stalinismus tradierten Vorstellungen leben in vielen Köpfen ideengeberisch weiter. Aber: Wer kein Demokrat ist, kann kein Linker sein.
Lackmustest
Der Lackmustest, den dieser Krieg bedeutet, ist auch das Erkennen des inneren Säuregrades der gesellschaftlichen Linken, weit über den Krieg hinaus.
Die Idee des Sozialismus ist immer auch die Idee einer umfassenden Demokratie oder es ist nicht die Idee des Sozialismus, sondern die Idee einer Diktatur. Eine linke Diktatur kann es nicht geben. Die Linke, die gesellschaftliche Linke, muss die Zäsur, die dieser Krieg bedeutet nutzen, um sich neu und umfassend auszurichten. Wer in ihr noch Ideen des Gouverantentums über die Bürger:innen hat, wer Diktatur und Bevormundung das Wort redet, ist eben nicht links, sondern rechts. Welche sozialen Wohltaten und welche Eigentumsformen er auch damit verbinden mag.
Nach mir vorliegenden Berichten, haben mehr als 400 Personen die, nur wenige zehntausend Menschen zählende LINKE verlassen. Ich bin einer von ihnen. Verschuldet hat diese Austritte AUCH die Angst des Bundesvorstandes vor der Konfrontation, die Machterhaltungskoalitionen in der Bundestagsfraktion, die inhaltslos nichts anderes kannten, als den Erhalt von Pöstchen und Positionen. Man hat ganz allgemein die Wagenknechts, Dehms, Hunkos, aber auch Leute wie Harri Grünberg, der lange Jahre der Vorsitzende des nahen Vereins Cuba Si war und auch dem Bundesvorstand angehörte, hat man gewähren lassen. Mit dieser Pax Augusta, die sich vor der innerparteilichen Auseinandersetzung scheute, hat man einen Prozess des Verrostens der inhaltlichen Stahlträger zugelassen. Nun ist das Gebäude einsturzgefährdet.
Zurück zur SPD
Ich habe mich entschlossen, in der SPD, aus der ich ursprünglich ja stamme, weiter zu arbeiten. Wie in jeder großen Organisation gibt es auch dort Konflikte. Sie sind sozialstaatlicher Art, hinsichtlich der demokratischen Grundwerte gibt es sie nicht. Übrigens habe ich die SPD seinerzeit wegen der Petersberger Beschlüsse verlassen, die Oskar Lafontaine und Björn Engholm zu verantworten hatten. Nun verlasse ich, wenn man so will auch die LINKE wegen Lafontaine. Denn natürlich trägt er, der ausländische Arbeitnehmer als Fremdarbeiter bezeichnet hat, die Positionen von Wagenknecht, Hunko, Dehm und Konsorten weitgehend mit.
Die mangelnde innere Konfliktbereitschaft bedeteutet, so glaube ich, den Niedergang der LINKEN. Es wäre Spökenkiekerei zu spekulieren, ob sie im kommenden Bundestag 2025 vertreten sein werden. Aber es wird zum großen Teil anderes Personal sein, dass den Wahlkampf auf der Straße führen wird. Ich gehöre dann nicht mehr dazu.
Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos auch nicht. Sie hat gestern die Partei DIE LINKE velassen.
Zum Abschluss noch ein Wort zu meinem Kreisverband Würzburg: Wäre die Partei so, wie mein Kreisverband, so säße die LINKE mit einem Ergebnis weit über fünf Prozent im Bundestag. Sie wäre verankert in der gesamten Bundesrepublik. Denn mein Kreisverband war sozusagen ohne demokratischen Fehl und Tadel. Diesen Genossinnen und Genossen bleibe ich innerlich verbunden und sicher werden wir in vielen kommunalen Belangen auch zueinanderfinden. Es tut mir weh, von Euch auch zu scheiden. Diesen Abschied hätte ich mir gern erspart – allein: es geht ja nicht.
Leander Sukov
15. März 2022