Psychopathinnen

„Psychopathe ist ein wirkungsvolles Wort, das Aufmerksamkeit erzeugt und für viele mit einer gewissen Faszination einhergeht. Es ist die Faszination für Menschen, die sich außerhalb der Normen bewegen, welche für die meisten anderen selbstverständlich sind“ heißt es in der Einleitung zu Psychopatinnen. Jener Faszination scheint die Autorin selber verfallen zu sein, wenn man sich ihre Forschungsgebiete anschaut. Sie verweist darauf – anhand von zwei fiktiven Charakteren – Hannibal Lecter aus Das Schweigen der Lämmer und die von Sharon Stone verkörperte Eispickelmörderin aus Basic Instinct, dass es dabei Unterschiede bei männlichen und weiblichen Psychpatinnen.

Das weibliche Böse fasziniert die Menschen seit jeher. Die Märchen sind voll von bösen (Stief-)Müttern und Hexen, während Frauen gleichzeitig – in einer binären Geschlechterzuschreibung verbleibend – den Frauen als potentiellen „Müttern“ eher weniger als Männern das Böse zugetraut wird. Die Psychologin und Therapeutin Lydia Benecke beleuchtet in ihrem aktuellen Buch – auf populärwissenschaftlichen Niveau – die Psychologie des „weiblichen Bösen“. Das klingt auf den ersten Blick spannend, stellt sich aber leider beim näherem Hinschauen als sehr oberflächlich und irrelevant dar. Die von ihr dargestellten und diskutierten Fallbeispiele kennt man zur Genüge bereits aus den klassischen amerikanischen Krimiserien wie Criminal Intent und Co. – und auf deren Niveau bewegt sich auch in etwa die Auseinandersetzung mit diesen. Ein bisschen Münchhausen-by-Proxy-Syndrom, ein bisschen Borderline und Narzissmus – alles der Stoff aus denen die alltäglichen Krimivergnügen sind. Lediglich die Erklärbärartikel zwischendurch, die auch aus einem Wikipedia-Eintrag stammen könnten, geben dem Ganzen den gewissen Touch der Wissenschaftlichkeit.

Spätestens nach der zweiten – von insgesamt sechs Fallbeispielen – ist man geneigt das Buch aus Langeweile zur Seite zu legen. Abgesehen davon fehlt auch ein irgendwie geartetes Fazit. So verbleibt es bei der effekthaschenden Darstellung von Einzelfällen. Ist ein solches Vorgehen mit den ethischen Richtlinien des Berufs der Psychologin vereinbar?

Einen weiteren Vorwurf, den sich Frau Benecke gefallen lassen muß, ist, dass es schon für Aussenstehende suspekt ist, wenn man sich durch sein Handeln als Rechtsbeistand bei der SM-Jugend (SMJG) und Kolumnistin der Schlagzeilen zumindest eine Affinität zu Sadomasochismus zeigt und gleichzeitig mit einer ins Morbide gehenden beruflichen Interesse für Realvampire und schweren Straftätern („Sadisten“) verbindet.

Maurice Schuhmann

Lydia Benecke: Psychopathinnen. Die Psychologie des weiblichen Bösen, Bastei-Lübbe Verlag Köln 2018, ISBN: 978-3-431-03996-2, 430 S., Preis: 18 €.

(auch als Ebook erhältlich.)