Es gehört zu den Dummheiten bürgerlicher Literaturrezeption, nur verstehen zu wollen, was den eigenen Kriterien entspricht. Willi Bredel fällt deshalb fast gänzlich durch. Die Einschränkung ist nötig, denn auch die bürgerliche Literaturkritik würdigt sein Buch „Die Prüfung“ als gelungen. Damit hat es sich.
Sein Hauptwerk aber, die großen Romane um das Arbeitsleben, die Stadt als Lebensraum und so weiter – sie bleiben für diese Art von Rezeption unerkennbar und werden durchgehend abgelehnt. Von schlechten Eltern sind aber nicht die Romane Bredels, sondern die Methodik der Kritik. Der Bildungsbürger braucht solitäre Charaktere. Um die Personen als Personen muss sich die Handlung entwickeln, Innensichten muss geben, Zweifel und Verzweiflung. Alles muss Werther sein, sonst ist es im Erkenntnisprozess nicht ver- und bewertbar.
Bredels Charaktere aber befinden sich im dialektischen Verhältnis des Einzelnen zum Kollektiv. Deutlich wird das nicht nur in der wundervollen Trilogie „Verwandte und Bekannte“ (Die Väter, Die Söhne, Die Enkel“), sondern auch in den Romanen Maschinenfabrik N&K, Unter Türmen und Masten und Die Rosenhofstraße. Die Werke, entstanden über dreißig Jahre Schreibarbeit hin lassen erkennen, dass uns schon mit dem ersten Buch, der „Maschinenfabrik“ ein fast fertiger Schriftsteller begegnet, der seinen Stil weitgehend gefunden hat.
Bredel erzählt aus der Draufsicht. Er schildert uns, als wären wir blind und er müsse uns darstellen, was wir ja nicht sehen können, die Lebensumstände seiner Figuren. Er tut es eindringlich und im Ablauf der Ereignisse. Bredel verzichtet gänzlich auf den Blick aus seinen Figuren hinaus, sondern interpretiert ihre Handlungen von außen. Das macht die Romane dicht und schafft eine schriftstellerische Ebene, in der die Kollektive darstellungsrelevant werden. Das ist immer noch Fiktion, aber eine, die nahe am „wirklichen Leben“ ist.
Bredel schreibt mitreißend, schnell lesbar und sozusagen geschichtsfest. Man kann durch das Lesen historische Einblicke gewinnen, die Geschichtsbücher nicht vermitteln können. Man steht sozusagen direkt in der Arbeitswelt der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts (Maschinenfabrik N&K), erlebt Jugendzeit, Gewerkschaftsarbeit, Nationalsozialismus mit (die Trilogie), man blickt auf die große Hafenstadt Hamburg in ihrer geschichtlichen Entwicklung und den gesellschaftlichen Veränderungen (Unter Türmen und Masten). Und niemals, das verspreche ich, niemals wird man gelangweilt sein. Denn Bredel, der sein schriftstellerisches Handwerk bei der ‚Hamburger Volkszeitung‘ der KPD lernte, weiß, wie man den Leser fesselt ohne reißerische Taschenspielertricks.
Seine beiden, ganz wunderbaren, Bücher über den Spanienkrieg sollte man lesen und natürlich „Die Prüfung“, diesen Roman über Nazihaft und Verfolgung in den frühen Jahren des deutschen Faschismus. Dieses Buch vielleicht als zweites. Denn das erste, empfehle ich, sollte die Maschinenfabrik sein.
Bredel wurde 1901 in Hamburg geboren. Er starb 1964 in der DDR. Mit Lion Feuchtwanger und Bert Brecht gab er im Exil die literarische Zeitschrift „Das Wort“ heraus. 1937 bis 1938 war er der Kriegskommissar des Thälmannbataillons im Spanischen Bürgerkrieg. Er gehört zu den Gründern des Nationalkomitees Freies Deutschland. Seine Inhaftierung 1933 – Bredel gelang die Flucht – im KZ Fuhlsbüttel schildert er im Roman „Die Prüfung“.
Werkausgaben Bredels sind antiquarisch erhältlich. Unbedingt Kontakt aufnehmen sollte man mit der Willi-Bredel-Gesellschaft, die sich auch über neue Mitglieder freut. Auch dort kann man Bücher erwerben. Die WBG ist unter www.bredelgesellschaft.de im Internet und unter der Postadresse Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V., Im Grünen Grunde 1c, 22337 Hamburg zu erreichen.