Ein Tiefpunkt auf der diesjährigen Buchmesse

Slavoj Žižek, der Hofnarr des Neoliberalismus (Gabriel Rockhill), naarte den Hof der Buchmesse mitsamt der Vorsteherin des Börsenvereins, der Bundesministerin für Kultur, der Präsidentin Sloveniens und dem guten und neuen Bürgermeister Frankfurts. Wer von dem Hans Dampfplauderer in Sachen Philosophie zumindest einen Beitrag erwartet hatte, der sich mitfühlend mit der Bevölkerung Israels gezeigt hätte, wurde eines Schlechteren belehrt.

Žižek gab zwar seiner Abscheu dem Angriff der Kampftruppen der Hamas auf Israel in gut drei, lass es vier sein, Sätzen Ausdruck, ging dann aber sofort dazu über, zu tun, was sogenannte linke Intellektuelle auch nach dem Ende es Blockkonfliktes tun: Er schob grantelnd und skandierend Israel die Schuld am jetzigen Zustand zu.

Kein Wort davon, dass bereits der Staat Israel in Gründung (wenige Tage bevor die Gründung dann, schon im Krieg, vollzogen wurde), von den arabischen Diktaturen und Monarchien drumherum mit einem Krieg überzogen worden war. Aus diesem Krieg resultiert das Leid der Palästinenser in der Tat. Ein Gutteil der Vertriebenen hat Israel zu verantworten. Den anderen Teil die arabischen Angreifer, die ein freies Aufmarschgebiet wollen. Beides war der schlimmen Logik des Krieges geschuldet. Seitdem ist Israel wieder und wieder Ziel von Krieg und Terror geworden. Und mit Israel wurde das Volk der Palästinenser unausweichlich Opfer der Taten von Hamas, Hisbollah, Fatah und anderen. Das Leid der palästinensischen Bevölkerung wäre justamente in dem Moment vorbei, in dem die Terrortaten aus der Mitte der Dörfer und Städte aufhörten. Israel hat in der gesamten Geschichte seines Staates, seit 1948 also, niemals ohne vorher angegriffen zu sein, zu militärischen Aktionen gegriffen — den Präventivkrieg von 1967 eingeschlossen.

Nichts davon bei Žižek. Es ist für die Leitung der Buchmesse zu hoffen, dass der Philosoph durch das Gastland Slowenien mitgebracht wurde. Denn, wenn ihn die Buchmesse aus eigener Überlegung ans Rednerpult gelassen hat, dürfte das nicht ohne – personelle – Konsequenz bleiben. Das wäre schade, denn die Messeleitung hat in den letzten Jahren einen guten Job gemacht.

Dass Žižek reden konnte in einer solchen Situation, nach den Reden der Bundesministerin und der slowenischen Präsidentin Pirc Musar, nach der Podiumsdiskussion mit der Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Friderichs, dem Chef der Buchmesse, Juergen Boos, die neben dem stabilen Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef und anderen debattierten, verwundert mich. Der Mann ist ja nicht für durchdachte Statements bekannt. Weder gebunden, noch gesprochen.

Wikipedia schreibt und zitiert zu recht: „Scharfe Kritik an Žižeks „Gewaltvisionen“ und seiner philosophischen Leere übt der britische Philosoph John N. Gray, der in Anspielung auf Žižeks Buch Less Than Nothing (2012) resümiert: „Žižek täuscht Substanz vor, indem er endlos eine im Grunde leere Vision wiederholt, und sein Werk – das die Prinzipien parakonsistenter Logik schön veranschaulicht – ergibt am Ende weniger als nichts“. Dem deutschen Philosophen Markus Gabriel drängte sich bei der Lektüre von Less Than Nothing „der Verdacht auf, man bekomme auf mehr als 1400 Seiten nicht nur nichts Neues geliefert, sondern weniger als nichts Neues, da man sich auch noch darüber ärgert, dass man alle Ideen sowie die allermeisten Anekdoten und Zoten Žižeks schon aus seinen inzwischen klassischen Büchern des letzten Jahrhunderts kennt“. Im Schlusskapitel über die Ontologie der Quantenphysik liefere er „zudem eine ziemlich fragwürdige Deutung der theoretischen Physik der Gegenwart“.[36] Außerdem frage man sich bei der Lektüre, so Gabriel, „einmal mehr, warum Žižek nicht endlich versucht, seine eigene Position unabhängig von der Berufung auf große Meister der Tradition darzustellen und zu verteidigen. Warum präsentiert er seine Thesen immer noch als Platon-, Kant-, Fichte- oder Hegel-Deutung?“

Mehr fällt mir dazu auch nicht ein …

 

Foto: Amrei-Marie, Lizenz CC BY-SA 4.0, Quelle: Wikipedia