Anmerkungen zu Benjamin Steins Roman „Die Leinwand“

Die Weisen waren der Ansicht, daß nicht nur bei der Geburt
eine auf Rückkehr in die Welt wartende Seele in einen neuen
Körper übergehen kann, sondern auch während der Tevila
eines Konvertiten. In gewisser Weise, meinte Ariel, gelte
dies auch für einen, der zum Ewigen umkehrt.

>>>> Dieses ist ein guter Roman.
alban_web_standardIch meine dies durchaus unspöttisch im Sinn des „guten Buches”, das jemand zur Hand nehmen möge; ich meine es aber auch sowohl wegen der Spannung, die >>>> Benjamin Stein aufzubauen versteht, wie aufgrund des für mich eigentlichen, im Wortsinn, Kunst-Stücks dieses Buches: die zumindest m i r völlig ferne Lebenswelt festen jüdischen Glaubens präzise und plastisch, vor allem, und zwar warmherzig, als eine gegenwärtige Normalität zu vermitteln. Nicht ein Gran eiferischen Überzeugenwollens fällt über die Leser einher. Dabei ist „Die Leinwand” als gläubiges Buch durchaus streng; es macht aus seiner Sympahie für die Orthodoxie keinen Hehl, ja weiß sogar westlichen Auffassungen über Freizügigkeit, namentlich der Erziehung, sein sehr Kluges entgegenzusetzen. Dafür steht Nathan Bollag, eine der klarst umrissenen Figuren dieses Romans. Insofern er sich der Kenntnis von Künsten verschrieben hat, ist er geradezu ein Repräsentant des gebildeten, aber nicht assimilierten europäischen Juden. Vermittels einer großartigen Metapher weiß er seinem Neffen und unsSteinDieLeinwandZichroni das rechte Verhältnis von orthodoxer Gläubigkeit und den weltlichen Einschlüssen darin zu demonstrieren. Bollag ist nämlich Juwelier, und er liebt >>>> Demantoiden.Die Farbe des Steins war intensiv, klar und völlig gleichmäßig. Ich betrachtete die Einschlüsse, ein Bündel feinster, goldener Härchen, die allesamt aus einem Punkt entsprangen und sich zu einem leicht in sich verdrehten Bündel auffächerten. Drehte man den Stein im Licht, schien es, als wären Funken eines Feuerwerks in ihm eingefangen und erstarrt (…).
Er ist schön, sagte ich (…).
Ja, sagte mein Onkel (…). Wie viel Raum, fragte er, nimmt das Chrysolith ein in diesem Stein? (…) Nicht ein Viertel? fragte mein Onkel: Könnte es nicht ein Viertel sein oder noch mehr?
Auf keinen Fall, erwiderte ich (…).
Das denke ich auch, sagte Onkel Nathan: Der Eindruck fliegender Funken könnte nie entstehen, hätte der Einschluß nicht genügend Raum inmitten des Grüns. (…)”
Auf diese feinsinnige, sehr oft parabelhafte Weise, die durchaus der orientalischen Erzählung von Moral entspricht – immer hat sie etwas mit Deutung zu tun und vergleichsweise wenig mit Weisung -, werden einige Male mehr die Kriterien eines angemessenen Verhaltens beleuchtet.

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