In der Edition Maya ist ein monologisches Theaterstück von Peter H.E. Gogolin erschienen. Und der Stoff, den der Schriftsteller für die Bühne aufbereitet hat, hat es in sich.

John Demjanjuk, in den Medien, nicht nur hierzulande, als Iwan der Schreckliche, bezeichnet, stand in Israel vor Gericht, weil ihm vorgeworfen worden war, für Verbrechen im Vernichtungslager Treblinka verantwortlich gewesen zu sein. Das Todesurteil von 1986 wurde 1993 aufgehoben, weil das israelische Gericht auf eine Personenverwechslung erkannte. Demjanjuk kehrte in die USA zurück, in der er bereits seit 1952 gelebt hatte. Im Jahre 2009 jedoch gaben die us-amerikanischen Behörden einem deutschen Auslieferungsersuchen statt. Zwei Jahre später wurde er wegen seiner Verbrechen im Vernichtungslager Sobibor zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er brauchte sie nicht anzutreten, sein inzwischen hohes Alter bedeutete die Haftunfähigkeit. Er verstarb zehn Monate nach dem Urteil in einem Altenheim in Deutschland. Weil wegen seines Todes die Revision nicht zustande kam, ist Demjanjuk nicht rechtskräftig verurteilt worden.

Das Urteil von 2011 des Landgerichtes II in München erging wegen Beihilfe zum Mord in 28.060 Fällen.

Demjanjuk wuchs in der Ukraine während des Holodomors auf. Seine Kindheit war durch Hunger und Verhungern geprägt. Zu Anfang des Krieges Deutschlands gegen die Sowjetunion war Demjanjuk Soldat der Roten Armee. Nach seiner Gefangennahme schloss er sich den ukrainischen Hilfstruppen der deutschen SS an und wurde Aufseher im Vernichtungslager Sobibor.

Gogolins Theaterstück ist kurz. Gleichwohl ist es so vielschichtig, dass sich bei einer Aufführung die Repetition einzelner Sätze, ja ganzer Absätze des Monologes anbietet, weil durch die Veränderung des, durch Betonung hervorgerufenen, Fokus auch eine Sinnveränderung möglich wird. Die Figur des John D., der natürlich nur eine fiktive Annäherung an die historische Figur darstellt und auch das nur darstellen will, befindet sich vor der Entlassung in Israel in seiner Zelle. Auf dem Stuhl im Raume sitzt, unsichtbar und doch fest im Sinn des John D. verankert „Tschenski“, sein Opfer. Ihm zu spricht der fiktive Demjanjuk. Zu ihm hin spricht er über sein Leben, über die Ukraine, die USA und seine Schuld, so wie er sie sich in sein Leben einordnet.

Peter H.E. Gogolin gehört zu jenen deutschen Schriftstellern und Dichtern, deren hohe Sprachvermögen es ihnen möglich macht, auch in Zimmer Logis zu beziehen, die für andere schreibkünstlerisch unbezahlbar wären. Und so gelingt es ihm, in aller Knappheit des Stückes, eine Figur zu schaffen, die weder vorgeführt, veralbert oder karikiert wird, noch eine, die heroisiert würde, die gar weißwaschen würde, was doch nicht weiß zu waschen geht. Nein, Gogolin schafft eine vielschichtige Figur, eine, die die Lebensumstände repräsentiert, aus denen sie entstanden ist.

Gleichgewichtig mit dem Stück selbst ist das Nachwort Gogolins zum Stück. Denn in ihm schildert er seinen Weg zum Stück, schildert die Beklemmungen und die Zweifel an jenen Gewissheiten, die nicht nur er, der Schriftsteller, als Halteseile über viele Jahre hergenommen hat.

Es ist viel ins Wanken geraten in den letzten zehnzwanzig Jahren. Und es ist gerade der Verlust von vermeintlichen Gewissheiten, der uns Dinge neu sehen lässt.

Das hat mit der kleinbürgerlichen Ausgewogenheit, die ja nie ausgewogen ist, nicht gar nichts zu tun. Die weite Sicht ist es, was gefallene Mauern ermöglichen.

Es ist dem Stück zu wünschen aufgeführt zu werden. Die Vagantenbühne in Berlin wäre ein guter Ort für die Premiere. Und Zeit wird es, denn geschrieben hat Peter H.E. Gogolin das Stück bereits 1998 unter dem Titel „Eistage“. Nun liegt es erwerbbar vor. Es gehört auf die Bühne.

Peter H.E. Gogolin, die Bilder des John D. Ein Lesedrama, ISBN 978-3-930758-68-5, 18 €