Wie schon mit der grandiosen Aufführung von Lucia di Lammermoor, beweist das Main Franken Theater in dieser Saison neuerlich die Güte seiner musiktheatralischen Arbeit. Mit großem Können hat man Elektra von Richard Strauss auf die Bühne der blauen Halle gebracht.
Der Ausweichbau ist nicht unbedingt für das Musiktheater, die Oper, geschaffen. Es ist eine Halle mit schwieriger Deckenkonstruktion und natürlich ohne wirklichen Orchestergraben. Die Akteurinnen und Akteure müssen gegen das Orchester ansingen. Eine Kärrnerarbeit, eine große Anstrengung für die Sängerinnen und Sänger. Sie alle haben, im Einklang mit dem hervorragend geleiteten Klangkörper die Aufgabe herausragend gemeistert.
Es war eine Aufführung, von der zu sagen, sie wäre ohne Fehl und Tadel dargebracht worden, zu wenig wäre. Zwar haderte ich die ganz Aufführung über mit dem Bühnenbild – allerdings nur deshalb, weil es als Bühne auf der Bühne gestaltet war. In der Mitte eine drehbare Wand, alles ganz in weiß und dazu einen Laufsteg, auf dem später dann Orest, sein Pfleger und Aegist die Bühne erreichen. Diese Bühne auf der Bühne schafft eine Barriere, die das Überspringen der Oper in den Saal erschwerte. Wie der Applaus, wie die Bravorufe und die stehenden Ovationen nach der letzten Note jedoch zeigten, erreichte die Darbietung das Publikum.
Sanja Anastasia singt die Klytämnestra mit größtem theatralischen Können und mit großer Stimme. Sie dominiert die Aufführung durch ihre starke Bühnenpräsenz. Welch ein Spiel mit Grandezza und Stimmgewalt. Elektra, die von Elena Batoukova-Kerl gesungen wird, steht dem Können von Anastasie in nichts nach. Die Chrysothemis, die eigentlich von Ilja Papandreou gesungen werden sollte, sang bei der Premiere Margarita Vilsone. Und auch sie machte ihre Sache großartig.
Das Strauss’sche Stück konzentriert sich letztlich auf die beiden Protagonistinnen Klytämnestra und Elektra. Drumherum agieren die anderen Figuren, inklusive der Mägde (alle sehr gut). Sie sind, wenn ich das so ausdrücken darf, die Sänftenträger der Handlung, die fast vollständig durch Mutter und Tochter voran getrieben wird.
Enrico Calesso versteht es als musikalischer Leiter das Beste aus dem – übrigens verteilt im Graben und auf der Bühne sitzenden – Klangkörper Höchstleistungen heraus zu bringen. Die Bühnenregie von Nina Russi schafft es, die Handlung zu strukturieren und ohne Schnickschnack auf die Bretter zu bringen.
Das Stück selbst ist mit dem Blick auf nur die eine Folie der Leidensgeschichte und der Tötung des Orest nicht zu verstehen. Es besteht aus sich überlagernden Folien. Auch deshalb hat es immer wieder neue Adaptionen gegeben. Die älteste aufgeführte Version stammt wohl von Sophokles (ca. 420 v. Chr.), aber schon kurz danach hat es eine Bearbeitung durch Euripides gegeben (ca. 410 v. Chr.). Hoffmannsthal, Hauptmann und O’Neill (Trauer muss Elektra tragen) haben neben anderen Theaterfassungen geschrieben. Neben Strauss hat auch Theodorakis eine Opernfassung geschaffen.
Für die, die sich mit dem Stoff befassen wollen hier der Link zu Wikipedia, von dem aus man dann weiter verzweigen kann.
Für die Aufführung in Würzburg gilt meine völlig uneingeschränkte Empfehlung. Elektra gehört zur klassischen Bildung, wie Richard Strauss zu den deutschen Komponisten gehört, die zu kennen unbedingt bereichert. Ich würde mich deshalb freuen, wenn auch die entsprechenden Jahrgangsklassen der Würzburger Schulen den Weg zu einer Aufführung finden würden.