Syfo – Forschung und Bewegung.
Die Forschung zu revolutionären bzw. Anarcho-Syndikalismus ist bislang in Deutschland nur sehr marginal ausgeprägt. Aus der Szene stammende Journale wie „Der schwarze Faden“ (+) und die „Direkte Aktion“ oder die beiden, leider nur sehr unregelmäßig erscheinenden Fachzeitschriften „IWK“ und „Bochumer Archiv für Arbeit und Widerstand“ boten und bieten der deutschsprachigen Syndikalismusforschung zwar seit Jahren eine Veröffentlichungsplattform, aber der Kreis von Forschern ist sehr überschaubar. Nun hat das seit 2007 bestehende „Institut für Syndikalismusforschung“, wie sich der aus einem Kreis von drei Historikern zusammensetzende Zirkel etwas großspurig nennt, ein erstes Jahrbuch publiziert. Das erklärte Ziel dieser Publikation ist nach eigenen Angaben „historische Forschung mit der Gegenwart und der Zukunft des Syndikalismus zu verknüpfen und zur Entwicklung einer lebendigen und handlungsfähigen syndikalistischen Bewegung beizutragen“ (S. 2) – ein hohes Ziel, was natürlich auch viele Bedenken weckt. Auch in anderen sozialen Bewegungen wurde immer wieder der Versuch gestartet, diese beiden Bereiche zu koppeln – meist erfolglos.
In der ersten Ausgabe sind als Beiträge u.a. Interviews mit Klaus Stowasser (Bruder des verstorbenen AnArchiv-Gründers und anarchistischen Autors Horst Stowasser), mit Kurt Wafner, mit dem spanischen Anarchisten Abel Paz (Nachdruck aus der Monatszeitschrift „Feierabend“), die Schlammschlacht eines der Herausgebers mit dem Verleger Heiner Becker aus Anlaß einer Urheberrechtsverletzung, einer oberflächlichen Bücherschau zu englischsprachigen Titeln über Syndikalismus etc..
Ein erstes Manko dieses Konzepts zeigt sich in der schwankenden Qualität der Beiträge – neben einigen sehr empfehlenswerten Beiträgen (z.B. einer Übersetzung von Kropotkins Brief an eine kommunistische Siedlung in Nordengland) finden sich einzelne Beiträge, die nicht das Niveau eines von pubertären Teens herausgehen („Cinema anarchiste“) oder einfach nur Altbekanntes wiederkäuen (Max Hoelz). Generell würde man sich bei den Artikeln und Interviews eine stärkere Einbindung von Fakten und Hintergründen wünschen. Eine Verifizierung der Aussagen der Interviewpartner, die unumgänglich wäre, bleibt zum Beispiel aus.
Das Zielpublikum der Publikation ist die an revolutionären Syndikalismus interessierte Öffentlichkeit, wobei sich diese trotz positiver Entwicklungen nicht über den Kreis von Mitgliedern der Freien ArbeiterInnen Union (FAU), der Anarcho-Syndikalistischen Jugend (ASJ) und deren Umfeld hinausbewegt. Das wissenschaftliche Niveau des Großteils der Beiträge würde nicht mal bei Studenten im 1. Semester durchgehen gelassen werden – und dürfte, wenn sich dies nicht in der nächsten Ausgabe grundlegend ändert, von der wissenschaftlichen Szene bestenfalls ignoriert werden. Was sehr schade wäre.
So lobenswert die dahinter steckende Idee des Projekts ist, um so ärgerlicher ist das erste Produkt – gerade von Leuten, die Geschichte studiert haben und hauptberuflich als Historiker arbeiten – doch sehr schwach. Ein anderes Niveau könnte man hier sicherlich verlangen. Bleibt zu hoffen, dass sie die positiven Ansätzen des Projekts ausbauen können…
Homepage des Instituts: http://www.syndikalismusforschung.info