Draußen fällt die Nacht über den Tag. Die Dunkelheit trennt mich, den Passagier, von der Welt hinter den Fenstern des Zuges, meine Blicke treffen mich. Spiegel alles. Ich bin der einzige Passagier in diesem Wagon.
In Hamburg die Bettler auf der Reeperbahn, die Verkäufer der Obdachlosenzeitung im Hauptbahnhof. Eine Gruppe von Bettlern auf dem Kiez, wie Hamburg die Reeperbahn und die umliegenden Straßen nennen, hatten Töpfchen vor sich aufgestellt. „Für Essen“, „für Urlaub“, „für Kleidung“ und so weiter. Ich habe ihnen zehn Euro für den Urlaub gegeben. „Man muß mal ausspannen“, habe ich gesagt. Ich kenne Obdachlose, Berber, Bettler. Damals bei Teddy, in der Hirschquelle, der letzten Kneipe in Hamburg 13, da verkehrte einer, der von sich behauptete, der einzige Bettler mit Abitur zu sein. Später traf ich welche, die studiert hatten. Teddy war die Stammkneipe der Hamburger Jusos. Ich war oft dort.
Ich fuhr mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof, vorbei am Hafen und der Speicherstadt. Da liegt mein Herz und das Herz Hamburgs, das meine Stadt ist, da ist alles Geschichte und Kaufmannsgeist, also bewohnt von Gespenstern, die nicht zur Ruhe kommen, weil sie Menschen zu Negern gemacht haben und Arbeiter zu Lasttieren, weil sie ihre Hausmädchen straflos vergewaltigten und die eigenen Töchter für gute Geschäfte verschacherten, die an Kriegen verdienten oder an der Flucht in die neue Welt. Die Gespenster schweben zwischen den Lagerhäusern und durch den Cremon, über die Holzbrücke und tanzen nachts im kleinen und großen Burstah. Der Hamburger Gentleman war wie der englische Gentleman, elegant, mörderisch, er wahrte die Contenance bei Betrug und Raubzug.
Jetzt also ohne Blick auf Häuser oder Bäume, das eigene Spiegelbild als Begleiter, das Abteil drinnen, wie draußen, und das alles unterbrochen durch plötzlich erkennbare Gebäude eines Bahnhofs, der durch das gespiegelte Abteil geistert, mich vernichtet, bevor das Dunkel der Nacht mich wiedergebährt auf der Scheibe.